Mozart, Wolfgang Amadeus (zugeschrieben)
“Prager”-Parthia III
in Es-Dur für Bläseroktett KV Anh. C 17.07/C 17.04/KV Anh. B zu 370a, Partitur/Stimmen
Anfang der 1990er Jahre entdeckte der Klarinettist und Musikwissenschaftler Harald Strebel in der Prager Nationalbibliothek Klementinum die gebundene Abschrift mehrerer Wolfgang Amadeus Mozart zugeschriebener Bläserserenaden. In dieser umfangreichen Sammlung fanden sich auch zwei Menuette und zwei Adagios wieder, die im Köchel-Verzeichnis innerhalb der Abteilung Zweifelhafte und unterschobene Werke, Divertimenti für Bläser seit jeher als zusammenhängende Einheit geführt sind. Im Kommentar wird neben dem fehlenden Autograf auch die ungewöhnliche, fragmentarische Satzfolge als Argument gegen eine Autorschaft Mozarts gewertet. Strebel komplettierte den Torso nun mit zwei Sätzen der Prager Sammlung, zu deren Echtheitsfrage er sich in Band 11 der Mozart-Studien geäußert hatte, zu einem vollständigen Divertimento.
Bereits 1995 publizierte das Consortium Classicum bei Dabringhaus und Grimm eine Tonaufnahme des erweiterten und als Prager-Parthia benannten Werks; nun liegen Partitur und Stimmen im Druck vor. Bei der von Strebel selbst herausgegebenen Edition des Züricher aart-Verlags handelt es sich um eine an der Aufführung orientierte Ausgabe (ein gut gesetztes Stimmenmaterial ist im selben Verlag erschienen), der aber ein ausführlicher Revisionsbericht vorangestellt ist.
Die erwähnte Einspielung durch das Consortium Classicum ist bereits die zweite CD des Ensembles mit Mozart zugeschriebenen Werken. Und so kann sich der Primarius, Dieter Klöcker, als Musiker fundiert zur Problematik äußern. Im CD-Booklet resümiert er, dass er bei seiner Beschäftigung mit diesen Stücken manches Mozart-Ähnliche, jedoch selten wirklich Mozart-Ebenbürtiges gespielt habe.
Diese Beobachtung trifft auch auf die Prager-Parthia Es-Dur zu, von deren sechs Sätzen besonders der erste dem Salzburger Meister Ehre machen würde: Nach einer feierlich-getragenen Adagio-Introduktion entspinnt sich aus einem kantilenhaften kleinen Thema der Klarinette ein wahres Feuerwerk melodischer Erfindungen. Aus dem kompakten, warmen Bläserklang schwingen sich immer wieder einzelne Stimmen solistisch zu kecken Girlanden auf, spielen sich gegenseitig die Themen zu, führen die Linie fort, die eben von einer anderen Stimme begonnen wurde, um sich dann wieder zu kurzen homofonen Abschnitten in schönster, fast choralartiger Einigkeit zusammenzufinden. Diese kompositorische Brillanz, die in vielem, vor allem aber in ihrer leichten und zugleich virtuosen Heiterkeit an die Ouvertüre zu Così fan tutte erinnert, erreichen die folgenden Sätze indes nicht mehr.
Mozart oder nicht? Interpreten wie Zuhörer können sich bei der Beschäftigung mit der Prager- Parthia diese Frage stellen. Die Urteile werden unterschiedlich ausfallen. Zur Bewertung der einzelnen Sätze muss sich freilich jeder zunächst einmal fragen, wie er persönlich das spezifisch Mozartsche denn überhaupt definiert und wie viel er davon in dieser Komposition wiederzufinden meint
Und das ist doch eine schöne Art der intellektuellen und ästhetischen Annäherung an den großen Salzburger Meister.
Bernd Distelkamp