Bräm, Thüring
Postcards from Switzerland
Was gibt man einem Streichquartett aus seiner Schweizer Heimat mit auf eine Konzerttournee nach Fernost? Der Landsmann Thüring Bräm hat den Chamber Soloists Lucerne für deren Auftritte in Indien und China kurzerhand fünf eigens für diese Reise komponierte Postcards from Switzerland ins musikalische Gepäck gelegt Klang-Postkarten, die auf wohlbekannten Volksliedern aus dem Alpenland basieren und die bestens als musikalische Botschafter in fernen Kulturkreisen taugen.
Dass der Komponist, Pädagoge, Schriftsteller und Dirigent Thüring Bräm ein musikalischer Praktiker ist, merkt man seinem fünften Streichquartett eben diesen Ton-Postkarten aus der Schweiz ohne Schwierigkeiten an. Als Hochschullehrer, Korrepetitor und ausübender Künstler hat der Schweizer bereits viel Gebrauchsmusik im besten Wortsinn geschrieben. Wirkungsvoll, treffsicher, klar in der Aussage, konturenscharf und unterhaltsam sind seine fünf Miniaturen, die einem tiefgründigen Streichquartettabend an der richtigen Stelle neue, ungeahnte Perspektiven eröffnen. Den Chamber Soloists Lucerne dürfte auf ihrer Asientournee 2005 der Beifall sicher gewesen sein.
Thüring Bräm spielt in seinen Werken gerne mit den Begriffen Raum und Zeit. Die fünf Postkarten-Sätze apostrophiert er in seinem Vorwort zur im Aarauer Nepomuk-Verlag erschienenen Notenausgabe als Postkarten in der Zeit sie beleuchten gleichsam einen kurzen Ausschnitt aus der Lebensdauer der zugrunde liegenden Volkslieder, versuchen eine bestimmte Wirkung für die konzertante Aufführung festzuhalten. Der Text geht bei der Umsetzung mit einem Streichquartett zwar verloren, doch gestattet sich der Komponist mit instrumentalen Mitteln eine Ausweitung oder auch Kommentierung der Liedbotschaften.
Die fünf Postcards from Switzerland sind dabei weder kopflastig noch überzeichnet. Bräms Werk ist eine pragmatische, musikantische Bearbeitung und Paraphrase der in der Schweiz bestens bekannten Melodien wie Dorma bain, Linverno è passato oder Là-haut sur la montagne. Der Komponist spielt mit den Stimmungen der Lieder, montiert kontrastierende Klangeffekte in die vollgriffig für Streichquartett gesetzten Originale und schafft so in der Tat auf kleinem, quasi postkartengroßem Raum Klangbilder mit viel Tiefenschärfe.
Von den vier Ausführenden erwartet Thüring Bräm eine solide Technik, klangliches Zupacken und ein konturenreiches Zusammenspiel für sein Werk. Zurück gibt er den beiden Violinen, der Bratsche und dem Cello fünf lebendige Miniaturen, die bei entsprechend pointierter Ausführung beinahe jedes Publikum begeistern dürften. So kurz die fünf Postkarten-Sätze für Streichquartett auch sein mögen, so nachhaltig ist ihre musikalische Wirkung nicht nur im fernen Asien.
Daniel Knödler