Portrait

Werke von Bach, Berlin, Crespo, Debussy, Dukas, Gabrieli, Händel, Ellington, Mahler, Schostakowitsch und Young

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 13294
erschienen in: das Orchester 11/2013 , Seite 80

Es ist einigermaßen paradox: Diese CD ist Ausdruck der außerordentlichen Leistungsfähigkeit von zwölf Nachwuchsmusikern – und macht zugleich deutlich, wie schwer es junge Instrumentalisten haben, im orchestralen Berufsleben heute Fuß zu fassen. Auf der Homepage des Blechbläserensembles „10forBrass“ lässt sich das schön nachlesen. Ob Trompeter, Hornisten oder Posaunisten, ob Mann oder Frau: Alle sind jung, mit Preisen dekoriert, mit Stipendien versehen, vielseitig und bestens ausgebildet. Sie sind hervorragende Könner auf ihrem Instrument. Und doch stößt man in ihren Biografien ein ums andere Mal auf euphemistische Umschreibungen für die Undurchlässigkeit professioneller Orchesterstrukturen: Von „Aushilfen“, „Substituten“ und „Bühnenmusikern“ ist da ebenso die Rede wie von „Zeitverträgen“ und „Vertretungen“.
Noch ist freilich nicht aller Tage Abend, denn viele der 10forBrass-Mitglieder studieren weiter und haben Wartestellung in den Akademien großer deutscher Orchester bezogen. Gleichwohl ist sicher, dass jeder einzelne von ihnen den Blechsatz der meisten Stadttheater-Orchester aufwerten würde. Das Ensemble selbst hat es 2011 ins Finale des Deutschen Musikwettbewerbs des Deutschen Musikrats geschafft und in diesem Jahr den zweiten Preis beim Felix Mendelssohn Bartholdy Hochschulwettbewerb gewonnen.
Die Stückauswahl seiner ersten CD ist zuerst einmal wenig überraschend und streift von der Renaissance bis zum Jazz durch die Musikgeschichte. Entscheidend ist hier aber das Wie: Die Klarheit, Ausgewogenheit und Frische von Paul Dukas’ berühmter Fanfare pour précéder La Péri beschwört gleich am Anfang einen Ensemblegeist, der in allen Werken erhalten bleibt. Ob Debussys Fille aux cheveux de lin, Gabrielis Canzon XIV oder Irving Berlins Puttin’ on the Ritz – überall entwickelt sich solistisches Können aus einem gemeinsamen Denken, Spielen und Klingen heraus.
Aus unterschiedlichen Gründen eigenartig sind nur zwei Stücke: die durchaus wohlklingende Etüde im Bruckner-Stil für tiefes Blech vom German-Brass-Altmeister Enrique Crespo, die dann aber doch mehr Crespo als Bruckner ist, und das Mahler’sche Orchesterlied Ich bin der Welt abhanden gekommen nach Friedrich Rückert, das in der Transkription für Blechbläser seine Mahler-Seele verliert. Eine geniale Adaption und vielleicht Höhepunkt der CD ist dagegen Schostakowitschs Festouvertüre A-Dur, in der die zwölf Blechbläser nicht nur ein großes Sinfonieorchester angemessen ersetzen, sondern auch deutlich weniger staatstragend agieren, als man das in vielen „richtigen“ Einspielungen hört.
Vielleicht widmet sich die nächste CD von 10forBrass ja verstärkt auch Originalkompositionen – und vielleicht präsentiert das Beiheft dann mit den gleichen Mitgliedern auch frisch gebackene Solotrompeter, Solohornistinnen oder Soloposaunisten. Fest steht aber schon jetzt: Am besten ist das Ensemble immer noch bei Liveauftritten.
Johannes Killyen