Podium Legenda

Werke von Pablo de Sarasate, Karl Goldmark, Felix Mendelssohn, David Popper, Pietro Nardini u. a.

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Podium POL-1011-2
erschienen in: das Orchester 05/2006 , Seite 87

Zunehmend widmen sich Labels den Geigern der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bei Podium (www.podium-wendel.de) erschienen etliche Aufnahmen des großen tschechischen Geigers Vása Príhoda; nun legt das Label in derselben Reihe eine Dokumentation über Arnold Rosé vor. Rosé, 1863 in Jassy/Rumänien geboren, studierte seit seinem zehnten Lebensjahr bei Karl Heissler in Wien. Nach einigen Konzertreisen war er seit 1881 Konzertmeister der Wiener Hofoper, zeitweise auch der Bayreuther Festspiele. 1939 emigrierte er nach England, wo er 1946 starb, nachdem er eine erneute Berufung zu den Wiener Philharmonikern aus Gesundheitsgründen abgelehnt hatte. Bekannt ist Rosé auch als Schwager von Mahler und Vater von Alma Rosé, der Leiterin des Lagerorchesters in Auschwitz.
Flesch nannte Rosé den „idealen Konzertmeister“: Dirigenten und Kollegen priesen seine unfehlbare Intonation und sein sicheres rhythmisches Gefühl. Leider kann auf dieser CD der kurze Soloabschnitt aus dem Rosenkavalier (1931) nur einen unvollständigen Eindruck von seinen viel gerühmten Konzertmeistersoli vermitteln.
Aufschlussreicher sind die Soloaufnahmen aus den Jahren 1902 bis 1910, u. a. Sarasates Faust-Fantasie, seine Zigeunerweisen, ein Satz aus dem Goldmark-Konzert, die F-Dur-Romanze von Beethoven und der langsame Satz aus dem Mendelssohn-Konzert – die meisten Werke in gekürzter Fassung mit Klavierbegleitung. Trotz der zeitüblichen Aufnahmequalität kann man hier Rosés charakteristischen Stil studieren. Neben dem kristallklaren Ton beeindruckt vor allem seine Deklamation und Tempogestaltung: Keine einzige Phrase läuft rhythmisch mechanisch durch, und selbst die scheinbar unbedeutendsten Figurationen werden durch die minimalen Rubati zur eindringlichen Melodie.
Beispielhaft ist auch der zweite Satz aus dem Mendelssohn-Konzert: Das Tempo ist ausgesprochen flüssig (selbst wenn man berücksichtigt, dass auf der CD die Abspielgeschwindigkeit der Originalplatten nicht korrigiert wurde und die Aufnahmen bis zu einem halben Ton zu hoch und dementsprechend schneller klingen) und verhindert, dass die flexible rhythmische Ausgestaltung sentimental wird. (Beim Mastering der CD ist leider noch eine technische Panne passiert: Track 1 geht ohne Pause in Track 2 über.)
Seine wohl größten Verdienste erwarb sich Rosé mit seinem Streichquartett, das über ein halbes Jahrhundert in vielfach wechselnden Besetzungen – teils wohl wegen einiger problematischer menschlicher Eigenschaften des Primarius – konzertierte. Neben dem Wiener Standardrepertoire brachte das Quartett auch viele zeitgenössische Werke zur Aufführung und etliche Kompositionen von Brahms, Pfitzner und Schönberg sogar zur Uraufführung. Besonders die Aufnahme des c-Moll-Quartetts op. 18/4 von Beethoven aus den 20er Jahren lässt die dramatische Gestaltungskraft des Ensembles und besonders seines ersten Geigers ahnen.
Das vorbildliche, fast 50-seitige Booklet bietet biografische Informationen und Äußerungen von Zeitgenossen über die Familie Rosé; darunter auch Näheres über das tragische Schicksal von Arnolds Bruder Eduard, der nach langer Tätigkeit als Solocellist in Weimar im Alter von 83 Jahren nach Theresienstadt deportiert wurde und dort umkam. Reiches Bildmaterial und Listen der Ur- und Erstaufführungen des Rosé-Quartetts ergänzen den Text.
Martin Wulfhorst