Reichardt, Hendrik

Plädoyer für die symphonische Blasmusik

Paul Hindemiths Konzertmusik für Blasorchester op. 41 und seine Symphony in B flat for Concert Band

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Pfau, Saarbrücken 2011
erschienen in: das Orchester 11/2013 , Seite 67

Umfang, Gliederung und Fragestellung dieser Studie lassen rasch den Eindruck entstehen, dass es sich möglicherweise um eine Diplomarbeit handelt. Prinzipiell ist dagegen nichts einzuwenden, zumal in aller Regel solche Abhandlungen durch das persönliche Interesse des Autors motiviert sind und darüber hinaus vielfach originelle Ansätze bringen oder Randbereiche der Musik und Musikgeschichte beleuchten. Andererseits setzt der Umfang von bis zu 100 Seiten schon quantitativ eine Grenze – inhaltlich, aber auch hinsichtlich der methodischen Reflexion und Vertiefung.
Auch die vorliegende Studie, die in ihrem Untertitel den Anspruch einer gleich doppelten Werkmonografie erhebt, hat in diesem Sinne ihre Schwächen, aber eben auch ihre Stärken. Denn nicht nur auf Tonträger und in der musikalischen Praxis, sondern auch in der Geschichtsschreibung fristen die fraglos hochrangigen Kompositionen für sinfonisches Blasorchester noch immer ein Schattendasein. Die Erklärung dafür mutet ebenso einfach wie tragisch an: Die Besetzung genießt trotz aller klanglichen Reize bei Weitem nicht die ästhetische Reputation wie andere Ensembles – zu sehr verbindet sich mit einem solchen Orchester (hierzulande) entweder das Bild von volkstümlicher Gemütlichkeit in landestypischer Tracht oder staatlicher Repräsentation in Uniform. Dabei sind die beiden Werke von Hindemith in anderen Kontexten zu verorten: die Konzertmusik op. 41 (1926) entstand im Rahmen eines Schwerpunkts für die Donaueschinger Musiktage, die Symphonie in B (1951) als Auftrag für den Chefdirigenten der United States Army Band.
Hendrik Reichardt nähert sich den Kompositionen, indem er das Terrain zunächst in zwei Richtungen absteckt: zum einen über Begriffsdefinition und Besetzungsvarianten, zum andern über Hindemiths Verhältnis zur Militärmusik. Bei den nachfolgenden, handwerklich gediegenen Analysen stehen vielfach die Themen und die formale Organisation der einzelnen Sätze im Vordergrund (siehe auch die Tabellen im Anhang). Umso mehr drängen sich bei der Lektüre der Studie Fragen auf; etwa hinsichtlich der unterschiedlichen Instrumentation und Faktur im Zeichen der verschiedenartigen Traditionen und Besetzungskonstellationen (dazu werden nur vereinzelt Hinweise gegeben). Hier wären dann auch Vergleiche instruktiv – nicht nur (wie geschehen) zwischen den beiden Werken Hindemiths, sondern auch mit den anderen in Donaueschingen aufgeführten Kompositionen von Gál, Krenek, Pepping und Toch (und dies über die einschlägigen Erläuterungen von Wolfgang Suppan hinaus), oder mit den Spezifika des nicht weiter genannten und charakterisierten US-Repertoires.
Dass die Arbeit mit einem Plädoyer schließt, ehrt nicht nur den Autor in seinem Engagement, sondern sollte auch Augen und Ohren für eine vernachlässigte Klangkultur sensibilisieren.
Michael Kube