Pièces de Concours

aus dem Repertoire des Pariser Konservatoriums für Viola und Klavier, Bd. 1-3, hg. von Jutta Puchhammer-Sédillot

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2016
erschienen in: das Orchester 05/2017 , Seite 63

Mit diesen drei Bänden schließt der Schott-Verlag eine von allen Bratschern lange als schmerzlich empfundene Repertoirelücke: Die versammelten 13 Stücke für Viola und Klavier sind exemplarische Beispiele für die in der Violinliteratur reich vertretene, in der Violaliteratur jedoch bislang eher stiefmütterlich – und oft nur in Transkriptionen entsprechender Violinwerke – repräsentierte Gattung „spätromantisches virtuoses Vortragsstück“. Ne­ben bekannten Komponisten finden sich auch weniger geläufige Namen.
Gemäß ihrer ursprünglichen Bestimmung als Prüfungspflichtstücke für die Absolventen der erst 1894 am Pariser Konservatorium eingerichteten Violaklasse vereinigen sie höchste spieltechnische Ansprüche mit teils spät­ro­man­tischer, teils impressionistischer musikalischer Raffinesse – schließlich sollten die jungen „Meis­ter“ mit diesen damals zeitgenössischen Werken ihr umfassendes virtuoses und gestalterisches Vermögen möglichst eindrucksvoll demonstrieren können. Folglich finden sich in jedem der 13 Werke Herausforderungen wie das Spiel in höchsten Lagen, weite Lagenwechsel, Doppel­griff-, Triller- und Flageolettketten, chromatische Kadenzen und schnells­te Passagen im Wechsel mit lyrisch-klangintensiven Zwischenspielen. Sie sind damit gleichsam Kompendien des hohen spieltechnischen und musikalischen Standards in der französischen Violaausbildung des späten 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.
Die Herausgeberin Jutta Puchhammer-Sédillot, international gefeierte Solistin, Professorin für Viola und Kammermusik an der Musikfakultät der Université de Montreal und Gastprofessorin unter anderem an der New Yorker Juilliard School
of Music, der Wiener Musik­hoch­schule und dem Conservatoire de Lyon, vermittelt im ausführlichen Vorwort neben knappen Informationen zu den Komponisten und Werken vor allem auch interessante historische Hintergründe zur Geschichte der Violaausbildung ab der Mitte des 19. Jahrhunderts.
Was ihre Edition besonders auszeichnet, ist die in vielen Details spürbare Praxisorientierung: Die Metronomangaben sind konzerterprobt, bei den Fingersätzen und Bogenstrichen legt sie Wert auf bestmögliche Spielbarkeit und bietet in Einzelfällen alternative Fingersätze an, die auf kleinere Hände oder unterschiedliche Instrumentengrößen Rücksicht nehmen – schließlich ist die Viola in ihren Maßen nicht auf eine Größe von 40 cm standardisiert, wie es Théophile Laforge, der Begründer der ersten Violaklasse in Paris, angeregt hatte. Dass die Stücke damit „vom Blatt“ spielbar seien, wie sie sagt, kann angesichts der zum Teil exorbitanten technischen Herausforderungen nur mit leisem Schmunzeln registriert werden und ist sicher nicht ernst gemeint…
Seit Kurzem gibt es übrigens auch die Möglichkeit, die in den drei Bänden publizierten Werke – und noch einige weitere Pièces de Concours – auf CD zu hören: Jutta Puchhammer-Sédillot hat sie mit ihrer Kammermusikpartnerin Élise Desjardin, die auch die Klavierstimmen der Ausgabe mit Fingersätzen versehen hat, für Navona Records eingespielt.
Rainer Schochow

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