Williams, Ralph Vaughan / Hermann Goetz

Piano Quintets C minor

Fabergé-Quintett, Yoko Kikuchi (Klavier)

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Es-Dur ES 2056
erschienen in: das Orchester 06/2015 , Seite 81

Kammermusik mit Klavier, die auch einen Kontrabass mit einbezieht, gibt es nicht viel. Bis auf Franz Schubert, der mit seinem berühmten „Forellenquintett“ dem tiefsten Instrument der Steicherfamilie einen großen Auftritt verschaffte, und Antonín Dvorák mit seinem op. 77 haben sich kaum namhafte Komponisten dafür interessiert. Die Besetzung scheint ein wenig exotisch zu sein, obwohl sie doch eigentlich neue klangliche Gestaltungsräume eröffnet. Gerade das seltene Kammermusikrepertoire rund um den Kontrabass ist die Domäne des Fabergé-Quintetts, das sich im Jahr 2000 aus Mitgliedern des NDR Sinfonieorchesters Hamburg formierte. Zur Kernbesetzung gehören der Geiger Rodrigo Reichel, der Bratschist Gerhard Sibbing, der Cellist Sven Forsberg und der Kontrabassist Peter Schmidt. Je nach Repertoire schließen sich dem Ensemble wechselnde Gäste an. Für die Aufnahme ihres Debüt-Albums auf dem Label Es-Dur mit Streichquintetten von George Onslow und Adolphe Blanc kamen die Geigerinnen Frauke Kuhlmann und Bettina Lenz hinzu.
In der jetzt vorliegenden zweiten Aufnahme bei Es-Dur mit Klavierquintetten von Ralph Vaughan Williams und Hermann Goetz ist die japanische Pianistin Yoko Kikuchi mit von der Partie. Dass man jetzt das c-Moll-Klavierquintett von Vaughan Williams (1903/05) überhaupt hören kann, ist ein Glücksfall und dem Entgegenkommen von Ursula Vaughan Williams, der zweiten Frau des Komponisten, zu verdanken. Sie erlaubte erst in den 1990er Jahren, dass dieses Werk endlich gespielt werden dürfe. Vaughan Williams hatte es, wie ein Reihe anderer Kammermusikwerke, die zwischen 1895 und 1908 entstanden, wohl aus Qualitätsgründen wieder zurückgezogen. Seit seinem Tod 1958 wurde das Notenmaterial im Archiv der British Library aufbewahrt. Dass es wieder den Weg auf die Notenpulte fand, ist nur zu begrüßen, denn der hochromantisch schwelgende Tonfall nimmt sofort gefangen, und der melodische Einfallsreichtum erstaunt immer wieder. Dass man sich sogleich an Brahms erinnert fühlt, sollte nur für Puristen ein Thema sein.
Das Fabergé-Quintett breitet die drei Sätze genießerisch aus und spielt gut zusammen. Die Tongebung des Geigers Rodrigo Reichel wirkt dabei besonders anziehend, die Pianistin ist gut integriert. Der Gesamtklang wirkt etwas gedämpft, der Kontrabass grundiert und verbreitert die Klangbasis von unten deutlich, alles steht auf einem etwas breiteren Fundament eines größeren Klangraums.
Das c-Moll-Klavierquintett von Hermann Goetz entstand 1874. Es gehört zu den Spätwerken des Komponisten und schafft eine ähnlich eingedunkelte Atmosphäre wie das Quintett von Vaughan Williams, das in derselben Tonart steht. Der Kontrabass erfüllt hier seine Funktion vor allem als Oktavverstärkung des Cellos, zuweilen auch des Klavierbasses. Diese Musik vermag aufzuwühlen, sie trägt den Schmerz der Melancholie in sich. Die Nähe zu Vorbildern wie Schumann oder Brahms schwingt mit. Ein Gewinn fürs Repertoire.
Norbert Hornig