Mendelssohn Bartholdy, Felix
Piano Quartet op. 3/Piano Sextet op. 110
Bei kaum einem anderen Komponisten verschmelzen die Kammermusik und das konzertante Element so konsequent und so überzeugend wie bei Felix Mendelssohn Bartholdy. Mit gutem Recht könnte man sein frühes Klaviersextett auch als Klavierkonzert bezeichnen. Und auch die eher dunkle Streicherbesetzung mit Violine, zwei Bratschen, Violoncello und Kontrabass macht es dem Klavier recht leicht, seine klangliche und stimmliche Dominanz zu behaupten.
Während die zwei Mittelsätze ein dezentes, durchsichtiges Adagio und ein sehr knappes, leichtes Menuett eher Intermezzo-Charakter haben, spielt sich die musikalische Handlung dieses Sextetts im reichen Figurenwerk, im brillanten Konzertieren der Ecksätze ab. Das Klavier beeindruckt mit funkelnden Passagen und leichtgängiger Bewegung. Donald Sulzen wird dem konzertanten Ansatz des Werks in jeder Hinsicht gerecht unterstützt von seinen beiden Mitstreitern des Münchner Klaviertrios und Tilo Widenmayer, Ruth Elena Schindel und Alexander Rilling, die die beiden Bratschenparts und die Kontrabassstimme übernommen haben.
Haupt- und Eröffnungswerk der vorliegenden CD ist allerdings Felix Mendelssohn Bartholdys drittes Klavierquartett in h-Moll enstanden noch vor Vollendung des 16. Lebensjahres des Komponisten. Donald Sulzen, Michael Arlt, Gerhard Zank und Tilo Widenmayer benötigen in ihrer Interpretation ein ganz klein wenig Anlaufzeit, bevor das musikalische Miteinander restlos überzeugt. Gewiss ist bereits der Kopfsatz gut durchstrukturiert und sehr transparent angelegt. Jedoch hätte schon das eröffnende Allegro molto etwas von dem Schwung vertragen, der später das Finale so glänzen lässt. Das folgende Andante ist schlicht empfunden, ohne große Schnörkel wiedergegeben und wirkt in seiner linearen Struktur sehr übersichtlich.
Nachdem im dritten Satz unter der durchaus strengen und kontrapunktischen Oberfläche schon einmal etwas Virtuosität durchschimmern darf, entwickelt sich das Finale geradezu zum musikalischen Zentrum des gesamten Quartetts. Es nimmt nicht nur von der reinen Spieldauer her den größten Raum ein, sondern beeindruckt in der Interpretation des Münchner Klaviertrios mit höchster kammermusikalischer Disziplin, funkelnder Spielfreude und einem ansteckenden Vorwärtsdrang. Donald Sulzen führt seine drei Mitstreiter hier zu einem akzentreichen Miteinander, das den großformatigen Satz gut strukturiert und äußert übersichtlich erscheinen lässt.
Eine gut durchhörbare Aufnahmetechnik, die genügend Raumwirkung zulässt, unterstützt die Interpretationen der sechs Münchner Musiker vortrefflich und macht den vorliegenden Livemitschnitt zu einem überzeugenden Ausflug in das frühe Kammermusikschaffen Felix Mendelssohns.
Daniel Knödler