Wolfgang Amadeus Mozart

Piano Concertos Nos 23 & 27

Menahem Pressler (Klavier), Magdeburgische Philharmonie, Ltg. Kimbo Ishii

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Avi-music
erschienen in: das Orchester 03/2018 , Seite 66

Max Pressler wurde 1923 in Magdeburg geboren. Aus einer jüdischen Familie stammend, floh er mit seinen Eltern 1939 nach Palästina und ein Jahr später in die USA, wo der 16-Jährige seinen Vornamen in Menahem änderte. Als er 1946 den Debussy-Wettbewerb in San Francisco gewann, standen dem jungen Pianisten alle Türen offen. Richtig berühmt wurde Menahem Pressler aber, nachdem er 1955 zusammen mit Isidore Cohen (Violine) und Bernard Greenhouse (Cel­lo) das Beaux Arts Trio gründete. Dieses legendäre Ensemble einer oft etwas stiefmütterlich behandelten Kammermusik-Gattung existierte über ein halbes Jahrhundert – bis 2008.
Seither ist Pressler wieder als Solist tätig. Mit 91 Jahren erhielt er einen Echo Klassik für sein Lebenswerk. An seinem 93. Geburtstag spielte er in seiner Heimatstadt Magdeburg Mozarts Klavierkonzert Nr. 27 in B-Dur zusammen mit der Magdeburgischen Philharmonie unter Kimbo Ishii: Dieser Konzertmitschnitt und das bereits im Mai 2016 im dortigen Theater aufgenommene Mozart-Konzert Nr. 23 in A-Dur sind nun auf CD gebannt, als Dokument eines glücklichen Musikerlebens.
Dabei bewahren diese Liveaufnahmen mehr als nur das außerordentliche Zeitdokument eines hoch betagten, dabei aber geistig genauso wie manuell noch höchst flexiblen Musikers, der heute mehr denn je als Solist tätig ist und nach eigener Aussage immer noch „mehrere Stunden am Tag“ übt, um gelenkig zu bleiben. Diese CD verewigt im Dschungel täglich neuer Tastenwunder auch die hohe Kunst einer am Detail geschulten Generation, für die die musikalische Interpretation eng mit der persönlichen Aussage des Interpreten verbunden ist. Es dokumentiert sich hier eine musikalische Geisteshaltung, die dem heutigen Perfektionswahn die Herzenswärme einer persönlichen Auffassung entgegensetzt.
Bei dem meistenteils als Kammermusiker tätigen Menahem Pressler wundert es nicht, dass seine Sicht auf Mozarts Klavierkonzerte eine kammermusikalische ist. Wenn er unbegleitet Solo spielt, klingt es ganz orchestral, etwa zu Beginn des Adagios im A-Dur-Konzert KV 488: Man weiß nicht, ob da die Bratschen zupfen oder ob das wirklich alles aus dem Klavier kommt. Dabei gewinnt Pressler eine Innigkeit, die so intim ist, dass die dann einsetzenden Streicher fast wie ein Hollywood-Zuckerhäubchen wirken. Erst mit den Bläsern tritt der Pianist in einen Dialog. Diese aber haben es nicht leicht, die mit dynamischen Finessen und delikaten Rubati gestaltete Melodieführung aufzunehmen: Vollkommen Kammermusiker geht er pianistisch in Regionen, die den Orchestermusikern nur schwer zugänglich scheinen.
Dagegen sind die flotten Ecksätze im Tempo eher gemächlich der Gangart des Solisten angeglichen. Doch sie entfalten auf der anderen Seite eine Poesie des Alters, die der Virtuosität eine Gelassenheit entgegensetzt, die den im Durchschnitt wahrscheinlich nur etwa halb so alten Orchestermusikern unter Dirigent Ishii noch abgeht.
Matthias Roth