Shostakovich, Dmitri

Piano Concertos 1 & 2/Hamlet Suite op. 32a

Rubrik: CDs
Verlag/Label: cpo 777 750-2
erschienen in: das Orchester 01/2013 , Seite 73

Die beiden Schostakowitschs erfreuen sich bei Musikern und Publikum gleichermaßen hoher Popularität. Sie bieten sozusagen die Essenz von Schostakowitschs künstlerischer Physiognomie in der Nussschale.
Natürlich empfiehlt es sich auch in diesen Werken, zwischen den Zeilen zu lesen, findet sich auch hier der typische Sarkasmus des Komponisten – aber eben doch gemildert. In den Klavierkonzerten geht es nicht, wie in den meisten der Sinfonien und Quartette, um Leben und Tod, sondern um gute Unterhaltung für intelligente Hörer (und Interpreten!). Die Konkurrenz für jede Neueinspielung ist groß, und es ist ein Zeichen für die außerordentliche Qualität der vorliegenden CD, dass sie problemlos mit den besten (nicht nur) der neueren Interpretationen mithalten kann.
Besonders erfreulich ist es, dass die Pianistin Valentina Igoshina darauf verzichtet, bei jeder Gelegenheit (und insbesondere das erste Konzert bietet solche reichlich!) die Zügel schießen zu lassen und zirzensische Drahtseilakte zu vollbringen. Dass sie manuell den Herausforderungen der Werke gewachsen ist, zeigt sich allenthalben, vor allem in den Ecksätzen; aber es ist der Musikerin offensichtlich ein Anliegen, die Vielfältigkeit der Stimmungen ebenso zu demonstrieren wie die Reichhaltigkeit des Klaviersatzes. Da kann es durchaus vorkommen, dass eine Passage durch mehrere Tempi geführt wird – etwa das aberwitzige Honkytonk-Solo kurz vor Schluss des ersten Konzerts. Es ist Zeichen für die Stilsicherheit der Interpretin, dass derartige Eigenmächtigkeiten niemals manieriert wirken. Besonders innig und in ihrem scheinbar kaum zu den Kompositionen passenden Ernst durchaus berührend geraten die langsamen Sätze beider Konzerte, wobei die Interpreten das Andante des Konzerts Nr. 2 beinahe in ein Largo verwandeln. Doch die Stimmigkeit des Ansatzes überzeugt auch hier.
Einen ebenso starken Eindruck wie die Pianistin hinterlässt die Deutsche Kammerakademie Neuss, die sich in den vergangenen Jahren zu einem der führenden deutschen Kammerorchester entwickelt hat. Zahlreiche CD-Aufnahmen, etwa von Kaminskis Werk für Streichorchester, legen davon Zeugnis ab, und auch in den Schostakowitsch-Konzerten braucht sich das Ensemble keinesfalls vor der Konkurrenz (wie etwa dem Mahler Chamber Orchestra in der Aufnahme der Konzerte mit Alexander Melnikov) zu verstecken, im Gegenteil. Die Einspielung weiß zusätzlich mit einer veritablen Rarität zu punkten: der Suite aus Schostakowitschs Bühnenmusik zu Hamlet, ein Frühwerk voller galligem Humor und angriffslustiger Ironie, zudem glänzend orchestriert – somit ein wahres Kabinettstück für ein neugieriges und abenteuerlustiges Orchester wie die Kammerakademie!
Thomas Schulz