Brahms, Johannes
Piano Concerto No. 1 / Piano Quartet No. 1
Europa-Konzert 2004, Bonus-Film: The European Concert in Olympic Athens
Siehgst, dös is a Symphoniethema, quittierte Anton Bruckner das markant-wuchtige Eingangsthema von Johann Brahms d-Moll-Klavierkonzert op. 15, als er das zwittrige Werk in Wien hörte. Mit seiner wühlenden Inbrunst, dem gleichberechtigten Dialog von Solist und Orchester präsentiert es sich geradezu als ein Symphoniekonzert von Charakter und höchster Schwierigkeit, pendelnd zwischen Leidenschaft und Lyrik. So haben es Sir Simon Rattle und seine Berliner Philharmoniker auch einstudiert, um damit vor der prächtigen Kulisse des Theaters des Herodes Atticus am Fuße der Athener Akropolis erstmals gemeinsam ein Europakonzert zu geben. Als Dritter im Bunde sorgt Pianist Daniel Barenboim, der den Philharmonikern seit Jahrzehnten künstlerisch verbunden ist und hier in Athen auch zum ersten Mal unter Sir Simon auftritt, für eine überaus bemerkenswerte Aufführung unter dem Partyzelt im Freien.
Während der langen Orchestereinleitung fährt die Kamera übers weite Rund, um die nötige (Ein-) Stimmung zu vermitteln. Nah verweilt sie immer wieder bei Sir Simon und dessen hochkonzentriertem Mienenspiel. Berstend vor Leidenschaft stachelt er die Musiker an, um danach dem Solisten den lyrischen Einstieg sozusagen wie auf dem Tablett zu servieren. Von ihm kommen allerdings keine pianistischen Offenbarungen, eher solide Tastenarbeiten jedoch ein totales Einvernehmen über das gemeinsam Gewollte. Statt romantischen Überschwangs findet sich bei beiden Künstlern ein Gespür fürs Dramatische, für ein monumental-heroisches Ineinanderwühlen. Poetische Passagen erzählt Daniel Barenboim dabei voller Empfinden.
Auch das Adagio lebt von der kollektiv herbeimusizierten Innigkeit voller berückend schöner Töne. Ausgelassen tollt das Rondo vorüber, sehr differenziert im Anschlag des Pianisten, dessen Gesicht und tastentanzende Finger dabei immer wieder ins Bild kommen. Der philharmonische Edelglanz mit seinen berückenden Bläserdetails ist trotz freiluftig-akustischer Trockenheit ausgezeichnet eingefangen. Und man sieht, wie Rattle den Klang aus den Musikern gleichsam heraussaugt. Die Körperlichkeit des Klangs, hier wird sie zur erfahrbaren Qualitätsgröße. Dann strahlt der Maestro wie die athenische Sonne.
Was sich in Brahms Klavierquartett Nr. 1 g-Moll op. 25, von Arnold Schönberg 1937 für Orchester gesetzt, abspielt, wird von den Berliner Philharmonikern mit der Meisterschaft eines Graveurs nachgezeichnet. Trotz sinfonischen Großaufgebots ist die Durchhörbarkeit enorm, sodass man in dieser Orchesterbearbeitung endlich einmal alles hört, was in der (Brahms-)Partitur steht (Schönberg). Obwohl vom Klavier weit und breit nichts zu hören ist, scheint es dennoch fast allgegenwärtig. Immer bleibt der breit strömende oder leidenschaftsbewegte Melodienfluss in brahmsscher Fasson, hört sich das Zigeunerische (des Rondos) als zündender Mix aus Sentiment und Rhythmusfeuer an. Ein mit Ovationen gefeiertes, livehaftiges Erlebnis.
Peter Buske