Grieg, Edvard / Sergei Prokofiev

Piano Concerto in A minor op. 16 / Piano Concerto no. 3 in C major op. 26

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Naive AM 210
erschienen in: das Orchester 02/2014 , Seite 77

Gerade hat Nikolai Lugansky für seine Einspielung der beiden Rachmaninow-Klaviersonaten einen „Echo Klassik“ gewonnen. Auch seine neue CD-Einspielung mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin (DSO) unter Kent Nagano ist ohne Zweifel preisverdächtig. Die in der Berliner Jesus-Christus-Kirche aufgenommene Interpretation des a-Moll-Konzerts von Edvard Grieg und des dritten Klavierkonzerts von Sergej Prokofjew besticht durch höchste Transparenz, technische Souveränität und nahezu perfektes Zusammenspiel.
Prokofjew, der selbst ein ausgezeichneter Pianist war, hatte das Konzert zwischen 1917 und 1921 für den Eigenbedarf geschrieben. Es ist bis heute das meistgespielte Werk und kombiniert Eingängigkeit mit höchster Virtuosität und klanglicher Raffinesse. Schon die kurze langsame Einleitung des ersten Satzes, bei der die exzellenten Klarinetten und Flöten des DSO helle Farben zaubern, zeigt den melodischen Reichtum des Konzerts. Auch Pianist Nikolai Lugansky beherrscht die Kunst der Phrasierung und verfügt über eine hohe Anschlagskultur, mit der er jedes Detail modellieren kann. Er hat die Technik, um im ungeheuren Laufwerk des Konzerts die Motorik nie maschinell werden zu lassen, sondern selbst bei den schnellsten Passagen eine ganz sprechende Artikulation zu erzielen. Dabei verzahnt sich der Klavierpart perfekt mit dem Orchester. Auch im Variationssatz ist die Genauigkeit der Interpretation der Schlüssel zum Erfolg. In der spektakulär dahinrasenden zweiten Variation bewahrt Lugansky die Durchsichtigkeit; in der vierten erzielen die gedämpften Streicher einen schwebenden Klang. Das brillante Finale erhält von den Interpreten ganz scharfe Konturen und erscheint wie unter einem Vergrößerungsglas.
Diese Plastizität ist auch bei Edvard Griegs Klavierkonzert zu hören – etwa in dem solistischen Einstieg des Kopfsatzes. Trotz der Genauigkeit im Detail gelingt es Nikolai Lugansky und Kent Nagano, die Phrasen miteinander zu verbinden und die vielen kleinen Tempoveränderungen organisch zu gestalten. Lugansky hat die Pranke, um die großen Arpeggien und Akkordballungen zu zelebrieren, besitzt aber auch die Sensibilität, die vielen Nuancen im lyrischen Bereich auszukosten.
Das DSO zeigt nicht nur in den vielen Bläsersoli seine Klasse, sondern entwickelt einen warmen, dichten Streicherklang, der auch mal ganz traumverloren werden kann wie im berückend musizierten „Adagio“.
Im von Nagano sehr schnell genommenen Finale werden ebenfalls keine Kompromisse gemacht. Mit atemberaubender technischer Brillanz meistert Lugansky die enormen Schwierigkeiten. Die folkloristische Note wird vom Orchester mit starken Akzenten und zupackenden Streichern unterstützt. Und wenn sich im Seitensatz eine ganz andere, lyrische Welt auftut, dann nehmen sich die Interpreten genügend Zeit dafür und kosten die Idylle aus.
Georg Rudiger