Adam, Stephan

Phasen

für Orchester, Partitur

Rubrik: Noten
Verlag/Label: H. H.-Musikverlag, Helmstadt 2011
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 67

Phasen – so betitelt der 1954 im hessischen Freigericht-Neuses geborene Stephan Adam sein etwa 22-minütiges Orchesterwerk von 2001 – sind nach dem Wahrig Fremdwörterlexikon „Abschnitte, Stufen einer Entwicklung“ oder „Zeiten, in denen ein Himmelskörper nur zum Teil erleuchtet ist“ oder „die jeweiligen Zustände eines schwingenden Systems“. Solche Umschreibungen mögen tatsächlich der Formentwicklung des einsätzigen Werks entsprechen und auch etwas von der Art ausdrücken, mit der Adam die musikalische Zeit erfahrbar macht und ins Werk setzt. Aber, so könnte man fragen, ist der Titel glücklich gewählt? Er klingt doch etwas bürokratisch-fantasielos und wird vor allem auch nicht der nun eben gerade fantasievollen Klanglichkeit dieser Musik gerecht. Das gilt besonders für den Hauptteil der Komposition (ab Takt 140 ff.), der mit ostinat wiederholten und sich subtil verändernden rhythmischen Mustern sowie mit liegenden Tönen und Klängen vor allem die klangliche Sonorität der Musik ganz nach außen kehrt.
Kompositionstechnisch verfährt Adam inklusiv-synthetisch; ihm stehen tendenziell alle Verfahren zur Verfügung, ohne dass er sie beliebig oder zufällig einsetzt. Fluchtpunkt seiner kompositorischen Entscheidungen scheint die Akzentuierung einer spezifischen Klanglichkeit von Musik zu sein, der er dadurch zugleich auch eine unmittelbar ansprechende sinnliche Präsenz gibt. Vor Verstiegenheiten oder Überforderungen schreckt er wohl zurück, doch lässt er die Streicher durchaus auch richtig singen (Takt 69 oder 486) oder schreibt in den Holzbläsern Multiphonics (nicht ganz genau zu bestimmende Mehrklänge) oder auch Vierteltöne vor, die das usuelle Tonsystem nicht kennt. Die Musik weist vielmehr auch pragmatische Züge auf, die mit den Gegebenheiten des Musikmachens rechnen. Dieser pragmatische Zug mag Adam durch seine sehr seriöse Ausbildung an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Frankfurt am Main vermittelt worden sein: Dort studierte er Kirchenmusik, Chordirigieren, Theorie und Komposition u. a. bei Helmut Rilling, Kurt Hessenberg und Ulrich Engelmann.
Die Partitur ist in schlechterdings mustergültiger Notentypografie veröffentlicht: bestechend klar und übersichtlich, sodass es ein einziges Vergnügen ist, sie zu studieren. Die Orchesterbesetzung fällt nur im Schlagzeugpart etwa üppiger aus und sie sieht auch ein Klavier vor, während von den Holzbläsern nur Flöte (auch Piccolo) und zwei Klarinetten (auch eine Bassklarinette) zu spielen haben und von den Blechbläsern nur Horn, Trompete und Posaune eingesetzt werden. Die Streicher sind chorisch zu besetzen, doch leider macht Adam keine Angaben zu ihrer Besetzungsstärke. Die Musik ist also durchaus bequem bis zu den etwas erweiterten Kammerorchester-Besetzungen zu spielen.
Giselher Schubert