Beethoven, Ludwig van / HRW Freitag

Pathétique op. 23 / Mondscheinphantasie op. 13

Bearb. der Klaviersonate op. 13 von Beethoven für großes Orchester, Partitur / Bearb. der Mondscheinsonate op. 27 Nr. 2 von Beethoven für großes Orchester mit Klavier im 3. Satz, Partitur/für Klavier und Kammerorchester, Partitur/Stimmenauszug Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition beingoo, Spiegelberg 2009
erschienen in: das Orchester 02/2010 , Seite 67

“Symphonie Pathétique”? Wer hier an Tschaikowsky denkt, liegt falsch: Es handelt sich um eine Bearbeitung von Beethovens gleichnamiger Klaviersonate für Orchester durch den deutschen Komponisten, Trompeter und Arrangeur HRW Freitag. Dieser wird von der Edition beingoo als „neuer Klassiker“ im „Geist der Spätromantik“ gepriesen, seine (mit eigener Opuszahl versehene) Instrumentierung als „kongeniale symphonische Bearbeitung“ und „Hommage an den Meister“. Letzterer war in der Tat selbst ein Bearbeiter vor dem Herrn: Seine zweite Sinfonie gibt es z.B. auch als Klaviertrio, die Klaviersonate op. 14 Nr. 1 auch als Streichquartett und das Violinkonzert auch als Klavierkonzert. Dennoch hat Beethoven solche Bearbeitungen immer als eine Art notwendiges Übel angesehen – bevor Arrangements von zweitklassigen Kollegen auf den Markt gebracht wurden, schrieb er lieber selbst welche.
Freilich wäre Beethoven vermutlich niemals auf die Idee gekommen, eine Klaviersonate zur Sinfonie „aufzublasen“ und für Orchester zu bearbeiten. Und man fragt sich auch ernsthaft, was wohl HRW Freitag dazu bewogen haben mag: Gerade so populäre Werke wie die Pathétique sind inzwischen derart allgegenwärtig, dass eine Orchesterfassung eigentlich obsolet erscheint. Zumal wenn ein ästhetischer Mehrwert nicht wirklich zu erkennen ist: Freitag beschränkt sich aufs reine Instrumentieren, wobei sein Orchester (mit 4 Hörnern, 3 Posaunen, Piccolo und Kontrafagott) doch eher den „Geist der Spätromantik“ als den Beethovens atmet und das „Pathetische“ der Komposition mitunter auch gefährlich klischeehaft auslegt. So wird etwa das Cantabile-Thema des Adagios „feierlich“ von den Posaunen intoniert, und das Finale schreckt auch vor massivem Schlagzeugeinsatz (eine Art Janitscharen-Musik plus Tamtam) nicht zurück.
Noch kurioser ist allerdings die Mondscheinphantasie, eine Orchesterbearbeitung von Beethovens Mondscheinsonate. Während sich Freitag in den ersten beiden Sätzen zumindest um ein paar aparte Details bemüht (zwei Bassetthörner als Weichzeichner hier, eine vorwitzige Triangel-Synkope da), versucht er im Finale erst gar nicht, die donnernden Arpeggio-Kaskaden irgendwie orchestral zu übersetzen, sondern belässt sie im originalen Klaviersatz, den das Orchester lediglich verdoppelt oder harmonisch unterfüttert. Diesen hybriden Gedanken hat Freitag in einer alternativen Kammerorchester-Fassung dann auch konsequent zu Ende (und ad absurdum) geführt: Hier spielt das Klavier gleich die ganze Sonate im Original, vom Orchester bestenfalls klanglich abschattiert. Bezeichnend, dass der Verlag hierzu (für schlappe 11,90 Euro) auch noch einen „Stimmenauszug Klavier“ anbietet, dessen markantester Unterschied zu einer handelsüblichen Sonaten-Einzelausgabe darin besteht, dass das Satzbild der „Bearbeitung“ aufgrund zahlloser Unzulänglichkeiten (Schlüsselung, Akkordverteilung, Hilfslinien) für die Praxis ziemlich untauglich ist.
Wen das alles nicht schreckt: Orchestermaterial ist beim Verlag käuflich zu erwerben.
Joachim Schwarz

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