Pepping, Ernst

Passionsbericht des Matthäus

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello COV 40801
erschienen in: das Orchester 05/2009 , Seite 71

Eines der bedeutendsten A-cappella-Chorwerke des 20. Jahrhunderts liegt nun erfreulicherweise in einer hervorragenden neuen Einspielung vor. Schon bei seinen ersten Aufführungen im Jahr 1951 durch den Thomanerchor unter Günther Ramin und die Spandauer Kantorei unter Gottfried Grote löste Peppings Passionsbericht höchste, teilweise enthusiastische Anerkennung aus, weil er in idealer Weise Ausdruckskraft, religiösen Ernst, Modernität und traditionelle Anbindung an vokale Stilmittel der Vergangenheit in sich vereint.
Die Worte des Matthäusevangeliums hat Pepping auf zwei vierstimmige Chöre verteilt, die sich ablösen und überlagern. Das ermöglicht eine eindrucksvolle Textinterpretation, wenn zentrale Aussagen wie „Meine Seele ist betrübt“ mottoartig die Erzählung kommentieren, überhöhen und zusammenfassen. Stimmig und vielschichtig setzt der Komponist die verschiedensten chorisch-vokalen Techniken ein und findet dabei auch zu überraschend unterschiedlichen Deutungen ein und derselben Textstelle. So wird der Satz „Ich werde von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks trinken…“ einmal in hymnischer Überhöhung und gleich darauf in stiller, resignierender Todesnähe musikalisch dargestellt. Ähnlich erfahren die Worte „Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen“ eine zunächst fast zornig ermahnende, dann eine eher ergebene, nach innen gewandte Ausdeutung.
Die vier- bis achtstimmige Anlage, bei der erzählende ebenso wie Passagen wörtlicher Rede chorisch gesetzt sind, knüpft mit zeitgenössischen Mitteln an motettische Passionen der Renaissance an. Die Einleitung („Fürwahr, er trug unsere Krankheit“, Jesaja, 53. Kapitel) mündet in eine aus Schütz-Passionen bekannte Anrufung: „Höre die Passion unseres Herrn Jesu Christi…“ Zwei Texteinschübe („Herr, bleibe bei uns! Denn es will Abend werden“ und ein polyfon eingeflochtener Credo-Teil „Crucifixus etiam pro nobis“) ergänzen den Passionsbericht, der mit einer Kyrie-Adaption und – großartig konzipiert – mit den Eingangsworten des Johannes-Evangeliums („Im Anfang war das Wort“) endet.
Was hier als Werkbeschreibung formuliert ist, möge zugleich als rückhaltlose Zustimmung zu der beeindruckenden Interpretation des Rundfunkchors Berlin unter Stefan Parkman verstanden werden, die alle Facetten dieses fast achtzigminütigen Werks in groß angelegten Spannungsbögen und differenziertester Detaildarstellung wiedergibt und dabei eine reiche chorische Farbgebung von lyrisch warmer oder starrer, entsetzter Betroffenheit bis zum großen dramatischen Ausbruch gültig präsentiert.
Nicht unerwähnt sei der interessante Einführungstext von Boris Kehrmann im Beiheft der CD, da er nicht nur das Werk (Entstehung, Anlage, Umfeld, Rezeption), sondern auch Peppings Situation im „Dritten Reich“ einschließlich einiger – verständlicher – Schwankungen seiner Einstellung zur damaligen Ideologie und Kunstpropaganda aufschlussreich erörtert.
Peter Schnaus

Page Reader Press Enter to Read Page Content Out Loud Press Enter to Pause or Restart Reading Page Content Out Loud Press Enter to Stop Reading Page Content Out Loud Screen Reader Support