Resch, Gerald

Passagen

für Fagott solo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Doblinger, Wien 2004
erschienen in: das Orchester 02/2006 , Seite 82

Die Musikhistorie zeigt, wie fruchtbar eine Zusammenarbeit zwischen Interpreten und Komponisten sein kann. So auch im Falle der Passagen für Fagott solo von Gerald Resch. Der Wiener Fagottist Robert Buschek nutzte seine freundschaftlichen und fachlichen Kontakte zum Komponisten. Er regte diesen an, unter seiner Anleitung und seiner Hilfe Interesse für sein Instrument zu entwickeln mit dem Ziel, sich mit der Weiterentwicklung bläserischer Möglichkeiten mit entsprechenden Spielformen und Klangergebnissen auseinander zu setzen.
Gerald Resch wurde 1975 geboren. Nach Studien der Komposition und Musikwissenschaft in Wien und Köln folgte ein postgraduierter Studiengang in Graz. Zahlreiche Stipendien, Preise und Auszeichnungen sind Zeichen seiner fachlichen Qualifizierung und beruflichen Entwicklung. Studienaufenthalte in Berlin, Paris und Rom und Aufführungen seiner Werke in Österreich (u.a. Salzburger Festspiele, Wiener Konzerthaus und Musikverein Wien) bestätigen diese Merkmale. Seine derzeitige Tätigkeit ergibt einen weiten Radius als Musikjournalist, Verlagsmitarbeiter und Lektor (Universal Edition) mit Einführungsvorträgen und Konzertmoderationen und freier Autor z.B. bei den Salzburger Festspielen, außerdem als Universitätslehrer für Musikanalyse, Gehörbildung und Musiktheorie. Gerald Resch lebt als Komponist und Musikwissenschaftler in Wien.
Robert Buschek wurde 1973 geboren, studierte bei Camillo Öhlberger und Milan Turkowic¡ an der Musikuniversität in Wien und ist dort als Assistent in der Fagottklasse tätig. Nach seiner Tätigkeit als Solofagottist im Brucknerorchester Linz wechselte er 2001 zu den Wiener Symphonikern. Er entwickelte im Laufe der Jahre ein ständig wachsendes Interesse an Neuer Musik und initiierte aus diesem Grund für das Solofagott entsprechende
Literatur. Sein Instrument sollte damit in den Blickpunkt einer aufgeschlossenen, interessierten Öffentlichkeit rücken, um zusätzlich die Aufführungshäufigkeit zeitgenössischer Fagottmusik zu verbessern.
Folgerichtig wurde dieses Auftragswerk von ihm auch uraufgeführt, und dies in einem exklusiven Rahmen – am 15. März 2004 im Brahms-Saal des Wiener Musikvereins. Außerdem fand am 29. Juli 2004 bei den Bregenzer Festspielen eine weitere Aufführung dieser Komposition statt.
Die Presse fand sowohl für den Interpreten als auch für den Komponisten ein positives Echo. Man lobte „die bewundernswerte Spieltechnik, Virtuosität und Klangschönheit und das kompositorische Spiel zwischen scheinbarer Einfachheit, Mehrklängen und Linearität“.
Nach der Analyse des Notentextes und nach dem Hören eines Livemitschnitts der Uraufführung ergibt sich ein interessantes und kontrastreiches Bild dieser Komposition, die an Berios Sequenza, Yuns Monolog und an die Three Pieces von Heinz Holliger erinnert, mit instrumentalen, bläserischen und technischen Ansprüchen auf einem hohen und sehr anspruchsvollen Niveau.
„So entstand ein virtuoses Solostück, das nicht nur den klassischen Fagott-Klang, sondern auch seine Varianten und neue Spielformen berücksichtigt und dabei auch alle Feinheiten zu realisieren sind“, so der Komponist.
Der Titel Passagen – das Wort bedeutet Durchgänge, Übergang oder Vorübergehen usw. – „bezieht sich einerseits musikalisch auf das zugrunde liegende Material, das auf unterschiedlichen Skalen basiert, die immer wieder deutlich in raschen Bewegungen hervortreten“. Nach einem ruhigen, stimmungsvoll-verhaltenen Beginn mit nahezu schmerzhaftem Ausdruck – erzeugt auch mit Hilfe von Schleiftönen, Trillerketten und charakteristischen Mehrklängen – wechseln sich ausdrucksvolle, langsame Teile mit hoch virtuosen, perlenden Figurationen ab, bis hin zu einer aufgeregten, aggressiven Spielweise. Hieraus entstehen kontrastreiche und interessante Klangpaletten, wobei das gesamte Register des Instruments mit all seinen klanglichen Möglichkeiten ausgenutzt wird.
Zur Realisierung der entsprechenden Instrumentaltechniken wie Mehrklänge, Scheren und Trillerglissandi macht der Interpret als Beilage zum Notentext Vorschläge mit genauen Spielanweisungen: „Die spieltechnischen Schwierigkeiten kommen nicht aus einem Drang nach virtuoser Selbstdarstellung, sondern ausschließlich aus der musiksprachlichen Vorstellung des Komponisten. Das macht Sinn und Freude.“
Dieses Solostück stellt mit Sicherheit eine Bereicherung der zeitgenössischen Fagottliteratur dar und ist auf Grund seiner kompositorischen Qualität durchaus Isang Yuns Monolog gleichzusetzen. Es lohnt sich, dieses Stück zu studieren und aufzuführen (Dauer: ca. 15 Minuten). Im Übrigen ist diese Neuerscheinung der Fagottbibliothek bei Doblinger, wie bei diesem Verlag üblich, von hoher Qualität im Notendruck und hat einen übersichtlichen Notentext.
Alfred Rinderspacher