Wie können Kinder und Jugendliche, insbesondere jene, die unter prekären Bedingungen aufwachsen, die Chance erhalten, Theater, Tanz und Performance für sich zu entdecken? Hier setzt das Projekt »Wege ins Theater!« an, das die ASSITEJ (Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche) von 2013 bis 2017 im Rahmen des Programms »Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung« durchgeführt hat: Kinder und Jugendliche werden in ihrem sozialen Umfeld mit Theaterangeboten angesprochen, sie erleben und erobern die Bühne und bringen ihre Ideen ins Theater ein. Die Beiträger*innen des Bandes machen die Praxiserfahrungen, Erkenntnisse und Fragestellungen aus dem Projekt für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich und fragen nach der jugend-, bildungs- und kulturpolitischen Positionierung der Theaterkunst.

Wolfgang Schneider/ Anna Eitzeroth (Hg.)

Partizipation als Programm

Wege ins Theater für Kinder und Jugendliche

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Transcript
erschienen in: das Orchester 04/2018 , Seite 58

Viele Wege führen ins Theater, aber sie müssen erst einmal ausfindig gemacht werden. Aus welchen Perspektiven dieses möglich ist, zeigt das vorliegende Buch als Abschlussdokumentation von Wege ins Theater! der ASSITEJ (Association Internationale du Théâtre pour l’Enfance et la Jeunesse, in Deutschland: Internationale Vereinigung des Theaters für Kinder und Jugendliche) im Rahmen des Programms „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Zahlreiche Autoren unter anderem aus Theaterwissenschaft, -pädagogik, Kulturvermittlung und -politik geben unter dem Schlagwort „Partizipation als Programm“ Einblicke in den Kinder- und Jugendtheaterbereich. Insgesamt 24 Beiträge zeigen dabei Perspektiven „aus der Gesellschaft“, „für die Praxis“, „für eine partizipative Programmatik“, „für die Kulturlandschaft“ und „für die Politik“ auf.
Wie können Kinder und Jugendliche ihr Recht auf kulturelle Teilhabe aktiv auf den Brettern und um die Bretter herum, die die Welt bedeuten, gestalten? Indem wir sie ernst nehmen, lautet hier eine Antwort. Eine Entwicklung von der Angebotsorientierung hin zur Teilhabeorientierung sei erstrebenswert. In vielen Texten dieses Buches geht es jedoch weniger um Theatervermittlung an sich, sondern um Zielgruppen. Die Problematik dabei sei die Benennung, die häufig zu schwächenorientiert sei. Wie es anders funktioniert, zeigt die Diversity Education (Viola B. Georgi) in ihrer Wahrnehmung von Verschiedenheit.
Praktischer in Wege ins Theater! sind die Einblicke in die Formate: Der Besuch als mobiles Theatererlebnis innerhalb der Sozialräume der Kinder und Jugendlichen; der Gegenbesuch inklusive eines Blicks hinter die Kulissen im Theater selbst; und zuletzt die Scouts, junge Menschen, die Theater durch eigenes künstlerisches Tun oder inhaltlich-organisatorische Mitarbeit aktiv mitgestalten.
Theater als gesellschaftliches und lebendiges Experimentierfeld sei die Grundlage für Begegnungen, Entwicklung, Kommunikation und nicht zuletzt auch für die Erschließung neuer Publikumsgruppen. Die Metapher des „Labors der sozialen Fantasie“ fasst solche Prozesse an dieser Stelle bildlich zusammen. Erwähnenswert sind auch die Perspek­tiven auf die Theaterarbeit in ländlichen Regionen, auf die kulturellen Bildungsprogramme anderer Kunst­sparten und auf die Initiativen der Soziokultur.
Dieses Buch ist Dokumentation, Reflexion mit Aussicht auf Entwicklung und Anlass zum Austausch zugleich. Auch die kritischen Stimmen einiger Texte sind aufgrund der Wirkungskreise und des Vorbildcharakters dieses Projekts willkommen. So wie Kinder und Jugendliche, Kulturinstitutionen und Bündnispartner gemeinsam durch Wege ins Theater! (voneinander) lernen, ist dieses Buch auch für Musikschaffende lesens- und empfehlenswert. Denn darum geht es auch in der Kulturarbeit: um das Anstoßen verschiedener Perspektiven.
Eva-Maria Kösters