Bach, Johann Sebastian / Paul Hindemith / Bernd Alois Zimmermann

Partita II in d-Moll BWV 1004 / Sonate für Violine solo op. 11 No. 6 / Sonate für Violine solo

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Farao B 108029
erschienen in: das Orchester 03/2007 , Seite 90

Diese Kombination besitzt Seltenheitswert: Die Geigerin Rebekka Hartmann, erst 25 Jahre alt und schon eine führende Interpretin auf den vier Saiten, spielte Johann Sebstian Bachs Partita d-Moll BWV 1004, Paul Hindemiths Sonate für Violine solo op. 11 Nr. 6 (1917/18) und Bernd Alois Zimmermanns Solo-Sonate von 1951 ein – Musik der Trauer, des Todes und des Trostes. Die Solistin, Schülerin von Gottfried Schneider, Meisterkurs-Teilnehmerin u.a. bei Wolfgang Marschner und Valery Oistrach, trifft den entsprechenden Ton. Mal melancholisch, mal verstörend, dann wieder aufmunternd oder ermutigend – Musik als Seelenkosmos, verschattet und zugleich erhellend.
Die Geige wird zum Instrument für Lieder ohne Worte: ein instrumentaler Gesang des Schmerzes, des Leidens und der Herzensangelegenheit. Diese Facetten können daher auch tröstend beruhigen. Die Münchnerin setzt die Geige als sensibel ausgehörten Klangkosmos ein. Technische Probleme? Nichts davon zu hören, weder bei Bachs Rasanz noch bei Zimmermanns Unruhe-Stück.
Wie und in welcher Situation entstanden diese drei ausgewählten Kompositionen? Bach schrieb die Partita 1720, kurz nach dem Tod seiner ersten Frau. Vor allem die Chaconne gilt heute für die Musikwissenschaft als musikalisches Tombeau für Maria Barbara Bach – trotz oder gerade wegen des tänzerischen Charakters. Bachs Totentanz – eine heftige, dennoch kontrollierte Lebensäußerung zum unerbittlichen Menschenende. Paul Hindemiths op. 11 Nr. 6, in Kriegszeiten entstanden, zielt auf Bach und dessen tonale Sphäre. Barocke Elemente sind ebenso zu vernehmen wie Atonalität im Finale. Reaktion auf die Toten des Ersten Weltkriegs? Zimmermann schließlich war ein Bach-Bekenner. Das berühmte B-A-C-H baut er als Tonzitat ein – wie von fern weht diese Folge in das zeitgenössische, zeitbezogene Solo hinein: ein Brückenschlag zwischen Vergangenheit und Morgen, zwischen Tod und Hoffnung. Wer denkt, das Ganze sei bei dieser emotionalen Lage erdrückend oder depressiv, der sieht sich angenehm enttäuscht. Die Geige funkelt. Allen dunklen Parametern zum Trotz.
Jörg Loskill