Holliger, Heinz
Partita (II) für Harfe
Heinz Holliger, weltweit anerkannt als Komponist und Oboenvirtuose, stellt mit Partita (II) sein neuestes Werk für Harfe solo vor. Es ist ein Auftragswerk des 53. Internationalen Wettbewerbs der ARD 2004. Spieltechnisch wie auch musikalisch stellt das fünfsätzige Stück höchste Anforderungen an Harfenistinnen. Nicht zuletzt basiert das umfassende Wissen Holligers über die Harfe auf seiner Ehe mit der international bekannten Harfenistin Ursula Holliger. (Eine Parallele aus der Vergangenheit drängt sich förmlich auf: Louis Spohr, verheiratet mit der damals berühmten Harfenistin Dorette Scheidler, verdanken wir wunderschöne und wichtige Harfenliteratur).
Heinz Holliger überschreibt die fünf Sätze seiner Partita (II) mit Toccata, Les Agréments (hommage à Rameau), Aria, Glissés und Fughetta cromatica. Durchgehende Achtel in Toccata mit ständig verschobenen Akzenten in beiden Händen, dazu eine extrem schnelle Tempovorgabe verlangen vom Spieler größte Virtuosität. Holliger verwendet hier wenig Klangeffekte. Im zweiten Satz verzichtet er sogar gänzlich darauf. Hingegen bringt er in seiner hommage à Rameau den Harfenklang voll zur Geltung, nicht durch Akkorde, sondern durch polyfon angelegte Triller und Verzierungen im Legato.
Aria Holligers Vision von einer vollkommenen Klangverschmelzung besteht darin, dass die rechte Hand mit einem kleinen Geigenbogen die vorgeschriebenen Harfensaiten kantilenenartig streicht, während die linke Hand begleitende Umspielungsfiguren zupft. Das lässt sich schwer realisieren, zumal Harfenisten in der Regel keine Streicher sind und nicht wissen, wie man durch richtige Bogenführung Tonschönheit erzeugt. Dadurch werden sie leider diesem Satz musikalisch wohl einiges schuldig bleiben.
In Glissés erfreut sich der Komponist an den vielfältigen Möglichkeiten von Stimmschlüsselglissandi, für mich ein überaus heiterer Satz. Als genial empfinde ich Fughetta cromatica. Vier Saiten müssen einen halben Ton tiefer gestimmt werden, somit erweitert sich die Möglichkeit von chromatischen Abläufen auf der diatonisch gestimmten Harfe. Zum Schluss des Satzes genießt man den einstimmig angelegten langsamen Epilog. Holliger schreibt ihn in der schönsten Klanglage der Harfe.
Die vorliegende Ausgabe der Partita (II) bietet eine sehr gute Druckqualität. Positiv ist auch die Angabe über die Spieldauer der einzelnen Sätze zu werten. Auf den Außentitel gehörte, wie bei den früheren Ausgaben, der volle Name des Komponisten. Neben der Werbung für die neue Edition Schott wünschte ich mir auch ein komplettes Verzeichnis der Harfenliteratur von Heinz Holliger. Weiterhin liegt mir ein zu eng gebundenes Exemplar vor: Auf das Notenpult gestellt, fallen die Seiten zwangsläufig wieder zu. Zeitgenössische Harfenmusik Korrektur zu lesen, ist sehr schwer. Da bedarf es einer intensiven Kommunikation in der Druckvorbereitung zwischen Komponist und Herausgeber. Mit Bedauern stelle ich jedoch in dieser Ausgabe reichlich Mängel fest.
Marion Hofmann