Laurence Dreyfus

Parsifals Verführung

Roman

Rubrik:
Verlag/Label: Faber & Faber, Leipzig
erschienen in: das Orchester 12/2023 , Seite 63

Es ist ein vergiftetes Lob, wenn ein Christ anerkennt, dass der jüdische Dirigent Hermann Levi seinen Namen beibehalten, nicht angeglichen hat. Es bleibt nicht die einzige Herabsetzung, der er begegnet, als er Richard Wagners Parsifal zur Uraufführung bringen soll. Das ist der Kern-Konflikt im Roman des Musikers und Musikwissenschaftlers Laurence Dreyfus. Zwischen 1881 und 1901 spielt die Handlung um das christliche Erlösungsdrama und dessen, von Wagner selbst gewählten, jüdischen Dirigenten. Dreyfus baut gleich mehrere Spannungsfelder auf – immer aus der Sicht des zu und mit Parsifal verführten Hermann Levi. Der versucht es mit der vorsichtig-ehrfurchtsvollen Annäherung an den stets „Meister“ genannten Komponisten. Dabei entpuppt sich ihm „das Scheusal“ als eleganter Endfünfziger, so erzählt er es Anna, die sein Leben aufschreibt.
In dem dreht sich für den Rabbinersohn alles um Musik, fast genauso wie im Buch, über deren Deutung und Bedeutung, schließlich kennt der Romanautor beide Seiten. Der Parsifal-Komposition ist gar eine mehrseitige Eloge gewidmet. Dass aber in einem renommierten Leipziger Verlag nicht auffällt, dass Felix Mendelssohn Bartholdy nicht der Gründer des Gewandhausorchesters war, wie Dreyfus seine Hauptfigur sagen lässt, ist schon bitter.
Schon im ersten Satz – der Rabbinersohn auf dem Weg zum verehrten Komponisten – schwingen die Pfade mit, auf denen der Autor wandeln wird. Lebensbestimmende Konflikte und Konstellationen benennt Dreyfus in seinem Debütroman nur, er thematisiert, diskutiert, wertet nicht. Und er bleibt, bis in die etwas altväterliche Sprache (von Wolfgang Schlüter übersetzt), sehr der Wagner-Zeit verhaftet. In der habe sich die „Judenfrage“ zu einem „Reizstoff“ entwickelt, Dreyfus benennt ein „weitverbreitetes Unbehagen über einen Juden namens Levi“, der den Parsifal uraufführen soll.
Die üblen Sprüche sind schwer zu ertragen, aber notwendig, um die Situation der Juden nicht nur in dieser Epoche deutlich zu machen. Cosima Wagner findet Levis Loyalität „außerordentlich! – Vor allem, wenn man seine jüdische Abstammung bedenkt“. Der Pianist Joseph Rubinstein wird als Wagners „Hofjude“ diffamiert; später erschießt er sich vor dessen Haus.
Levi aber sucht Abschwächungen, Entschuldigungen für den Antisemitismus des Komponisten. „Von Wagner war viel zu lernen“ steht für den Dirigenten über allem, letztlich übernimmt er auch Wagners Verteidigung der Musik „gegen die billigen Effekte ihrer Kommerzialisierung“, die beide vor allem bei jüdischen Komponisten verorten. Nach all den Konflikten aber lässt Laurence Dreyfus seinen Roman in einem Idyll enden. Biografin Anna träumt nach Levis Tod dessen „unerschütterlichen Glauben an die Macht der Musik“ weiter. Ute Grundmann