Schnebel, Dieter

Pan

für Flöte(n) - oder Blockflöte(n) - und Begleitung ad libitum (Streichinstrument oder Keyboard/Orgel/Akkordeon)

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2005
erschienen in: das Orchester 03/2006 , Seite 83

Pan flöten ohne Panflöte – Dieter Schnebel macht’s möglich. Das Stück in sieben Teilen ist für (Quer-)Flöte geschrieben, laut Vorwort des Komponisten aber auch für Piccolo-, Sopranino-, Alt-, Tenor- oder Bassflöte sowie für volkstümliche Flöten aller Art geeignet. Der Tonvorrat reicht dabei von fis1 (als Vorschlagsnote auch einige e1) bis e3, wobei natürlich Oktavierungen in alle Richtungen möglich sind. Die bordunartige Begleitstimme ist ad libitum beigefügt; sie kann mit ihrem Ambitus gis bis b2 von einem Streichinstrument, aber auch von Keyboard, Orgel oder Akkordeon übernommen werden – Klavier wäre ungeeignet, da sich hier wegen der dynamischen Entwicklungen, auch auf einzelnen Tönen, ein Instrument empfiehlt, bei dem jeder Ton noch im Erklingen modifizierbar ist.
Pan sei „organische Musik“, betont Schnebel, „das Instrument ist wie ein Teil des Körpers“, die Musik drücke menschliche Stimmungen aus. Die sieben Abschnitte „Erwachen – Sehnsucht und Lockung – Drängen, Jagen, Schrecken – Erfüllung (Ekstase) – Erschlaffung – Träume – Einschlafen“ erzählen somit nicht nur den alten Mythos des Gottes Pan, sondern symbolisieren einen Ablauf, der so in jedem (nicht nur menschlichen) Leben stattfindet. Dazu malt Schnebel mit Tönen, Rhythmen und Dynamik geradezu bildhaft die einzelnen Stationen nach: „Erwachen“ beginnt auf langen ppp-Haltetönen, denen nach und nach immer ausführlichere Vorschläge zugesellt sind, „Drängen – Jagen – Schrecken“ wird durch atemloses Wegziehen der Schlusstöne kurzer, sprunghafter Passagen illustriert, durch accelerandi und plötzliche fortissimo-Kaskaden, die „Erschlaffung“ durch Seufzermotive, mühsam auf- und nachgebend absteigende Linien …
Auf den zentralen Teil „Erfüllung“ hin bedient sich der Komponist dabei einer wachsenden Tonskala, die danach wieder zusammenschrumpft; harmonisch finden sich hier modale, diatonische bis atonale Konstrukte. Die Schwierigkeit des Stücks liegt – egal für welche Flöte – nicht so sehr in den Tönen (die allerdings an schnellen Stellen auch nicht ganz anspruchslos sind), sondern in der ungemein differenziert ausgearbeiteten und notierten Dynamik, den unterschiedlichen Artikulationsarten.
Bei der Querflöte kommt erschwerend hinzu, dass dreifache pianissimi in den oberen Oktaven zum Umkippen nach unten neigen. Trotzdem eignet sie sich aufgrund ihrer den Blockflöten überlegenen Tonmodulationsoptionen am besten für Pan. Möchte man die Tonhöhenschwankungen bei dynamischen Veränderungen auf einer Note oder in einer Linie einigermaßen im Rahmen halten (der Komponist gibt keinen Hinweis darauf, ob solche beabsichtigt sind), hat man mit dem Ausgleich ebenfalls eine ganze Menge zu tun.
Das macht das Stück vom technischen Standpunkt her interessant. Dazu kommt, dass die beschriebenen Stimmungen oder Situationen atmosphärisch wirklich treffend eingefangen sind, sodass man den Ablauf auch emotional gut nachvollziehen kann – und das in Klang umzusetzen, macht Spaß. Lasst uns Pan flöten!
Andrea Braun