Bach, Johann Sebastian
Ouverture / Orchestersuite in C‑Dur / h‑Moll / D‑Dur / D‑Dur BWV 1066–69
Partitur
Bachs Orchestersuiten gehören nicht nur zu den am weitesten verbreiteten, sondern auch zu den populärsten Orchesterwerken des Thomaskantors. Dabei ist in der Rezeptionsgeschichte dieser Kompositionen vieles unklar. Etliche Rätsel um die Entstehung werden sich wohl auch in Zukunft nicht lösen lassen. Selbst spektakuläre Funde wie das in Kiew wieder aufgetauchte Archiv der Berliner Singakademie haben keine wesentlichen neuen Erkenntnisse in Bezug auf die Suiten Johann Sebastian Bachs erbracht.
So müssen beispielsweise die Partiturautografe auch weiterhin als verloren gelten. Einzelne Stimmen und Partiturabschriften sind unabhängig voneinander erschienen. Selbst den Entstehungszeitraum der vier unterschiedlich besetzten Werke kann man überwiegend nur indirekt erschließen. Allgemein nimmt man 1729/30 an. Überzeugende Belege für konkrete Entstehungsdaten gibt es leider nach wie vor nicht, auch wenn heutige Forscher gelegentlich glauben (z.B. Siegbert Rampe/Dominik Sackmann: Bachs Orchestermusik, Kassel 2000), Teile der Suiten wesentlich früher als bisher angenommen datieren zu können. Und dies, obwohl man allgemein davon ausgeht, dass die erhaltenen Fassungen mit Sicherheit teilweise Überarbeitungen älterer Werke sind, die teils uminstrumentiert, teils mit einzelnen Sätzen ergänzt wurden. Das zeigt sehr schön der wohl bekannteste Satz aus den Suiten, die Air aus der 3. Ouverture in D‑Dur, die in reiner Streicherbesetzung erklingt. Hier dürfte es sich wohl um einen Satz mit der Originalinstrumentierung der nicht erhaltenen Urfassung handeln.
Sehr ausführlich beleuchtet das Vorwort zur Neuausgabe im Bärenreiter-Verlag die Schwierigkeiten der Entstehungsgeschichte und bezieht dabei auch neuere Kommentare und Forschungen (etwa von Joshua Rifkin oder Martin Geck) mit ein. Aber auch auf die Verselbstständigung eben jener Air ab den 1860er Jahren und später der Badinerie (von den Swingle-Singers bis zum Klingelton) geht das Vorwort ein. Interessant ist gerade bei der 3. Suite das Hinzufügen der ersten beiden Sätze in der nach Bachs Tod angelegten Abschrift von Christian Friedrich Penzel, in der eine Violine concertato hinzugefügt ist, die ganz sicher nicht auf Bach selbst zurückgeht. Diese Fassung entspricht der 1837 von Felix Mendelssohn Bartholdy aufgeführten Version. Auch musikalisch hat sie durchaus ihre Reize.
Insgesamt folgt die jetzige Neuedition der als Urtext veröffentlichten Neuen Ausgabe sämtlicher Werke (hier: Serie VII, Orchesterwerke). Diesen Teil der Neuen Bachausgabe besorgte Heinrich Besseler im Jahr 1966. Der Druck ist praxisorientiert, klar und gut lesbar bis in die Bezifferungen der Bassstimme hinein.
Marie-Theres Justus-Roth