Salieri, Antonio

Ouvertüren & Bühnenmusik

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Hänssler Classic 98.554
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 72

Eigentlich ist er ein Opfer der Filmindustrie: Antonio Salieri steht seit Milos Formans Film Amadeus im Ruf eines neidischen und arglistigen Intriganten, der den sechs Jahre jüngeren Mozart nicht nur – zumindest anteilig – um die Ecke, sondern auch noch bei wesentlichen Persönlichkeiten des damaligen Wien in Misskredit gebracht hat. Zwar weiß man inzwischen in musikinteressierten Kreisen, dass die historischen Fakten etwas anders aussehen, aber auch diese charakterliche Rehabilitation hat die Bekanntheit von Salieris Werk nicht weiter befördert.
Umso verdienstvoller, dass sich das Mannheimer Mozartorchester unter der Leitung von Thomas Fey dieses Werkes nun bereits mit einer zweiten CD annimmt, auf der nämlich Ouvertüren und Bühnenmusiken zu hören sind. Und zwar großenteils erstmalig auf einem Tonträger; bei 15 von 18 Nummern dieser CD handelt es sich um Weltersteinspielungen (teils zumindest der Originalfassungen) der jeweiligen Werke! Diese zeugen sämtlich von Salieris Fähigkeit zur kompositorischen Nachzeichnung vielfältiger Stimmungsbilder – ob Liebesglück oder Schlachtengetümmel, melancholische Sorge oder Ringkampf – und geben außerdem einen ersten Eindruck der Breite seines Schaffens.
Fey geht die Stücke sämtlich mit flotten Tempi und starker Akzentuierung an, weiß aber auch in lyrischen Passagen, etwa durch winzige agogische Bewegungen, immer wieder zu überzeugen. Dabei nutzen Dirigent und Musiker jede Gelegenheit zum Theaterdonner, zu überraschenden
dynamischen Wendungen, zur Auslotung dynamischer Gegensätze. Wohl zu diesem Zweck setzt Fey in Blechbläsern und Pauken historische Instrumente ein, was auch durchaus seine positiven Seiten hat, da die authentischen Blechblasinstrumente beispielsweise auf einem viel niedrigeren dynamischen Level als die modernen bereits einen schmetternden Klang erreichen.
Damit vermeidet er Balanceprobleme mit dem wohl eher klein besetzten Streicherapparat (wie klein, geht aus dem sehr bescheiden aufgemachten Booklet leider nicht hervor, das lediglich einen Text zu den Stücken sowie kurze Biografien von Orchester, Dirigent und Herausgeber der Noteneditionen enthält, aber keinerlei Angaben zu genauer Besetzung, Stimmung und den Instrumenten der Aufnahme). Das passt allerdings nicht gut zu den klanglich sehr runden, modernen Streichern, die im Vergleich breit und nicht sehr fokussiert wirken; auch wartet die Aufnahme immer wieder einmal mit Unsauberkeiten auf, die durch diese divergierenden Klangfarben noch unterstrichen werden. Schön dagegen die klare Phrasierung, die eleganten Abphrasierungen des Orchesters, von dem man sich dennoch in manchen Passagen noch ein etwas klareres Hinsteuern auf einen Höhepunkt, eine dynamisch deutlichere Liniengestaltung gewünscht hätte.
Eine höchst interessante Aufnahme also, die einen guten ersten Eindruck dieses Repertoires vermittelt, aber doch an kleinen technischen Unvollkommenheiten krankt.
Andrea Braun