Orff, Carl
Orpheus
Aus der Zeit einer regen und fruchtbaren Zusammenarbeit von Carl Orff und dem Bayerischen Rundfunk stammt diese Aufnahme von 1972. Sie wurde zur Wiederveröffentlichung aufbereitet, was sich nicht zuletzt in einer großen dynamischen Spannweite auswirkt. Zugrunde gelegt ist Orffs dritte Fassung seiner freien Neugestaltung von Claudio Monteverdis Favola in musica, die 1940 in Dresden uraufgeführt wurde. Die sprachlich gelungene deutsche Textfassung (nach dem ursprünglichen Libretto von Alessandro Striggio dem Jüngeren) stammt von Dorothee Günther, mit der Orff anno 1924 eine Schule für Gymnastik und elementare Musik gegründet hatte. Die Mitwirkenden das auch in den solistischen Leistungen überzeugende Rundfunkorchester unter seinem damaligen Leiter Kurt Eichhorn und der Rundfunkchor sowie auch das Ensemble waren ein bewährtes Orff-Team, dem sich der Meister selbst mit klarer Stimme als Sprecher des Prologs anschloss. Er hat denn auch diese Aufnahme ausdrücklich autorisiert.
Hermann Prey singt im vollen Glanz seiner Stimme die Titelrolle; nicht ganz ohne Pathos, das dem beabsichtigten affettuoso entspricht. Auch Lucia Popp, die sich mit der weit kleineren Rolle der Eurydike zu begnügen hat, gestaltet ausdrucksstark. (Ihr In trutina aus der Carmina Burana bleibt unvergessen und unübertroffen.) Rose Wagemann übernimmt die Rolle der Botin, Kurt Ridderbusch den Wächter. K. H. Ruppel schreibt in dem ins Booklet übernommenen Beitrag, dass Orff Monteverdis Tonsprache in modernes Klangempfinden um(ge)setzt hat. Darin, in den orffschen Klangfarben und deren Realisation, erweist sich der Orpheus als weithin eigenständiges Werk, dessen Gültigkeit nicht von dem seit seiner Entstehung gewandelten Umgang mit Monteverdi beeinflusst werden kann.
Karl Robert Brachtel