Werke von Johann Sebastian Bach, Chick Corea, Astor Piazzolla und anderen
Original Grooves
OPERcussion
Zwei Chilenen und je ein Bayer, Niederländer und Franzose – das sind die Mitglieder von OPERcussion, einem Schlagzeugensemble aus Mitgliedern sowie einem Ex-Mitglied des Bayerischen Staatsorchesters. Seit vielen Jahren spielen Claudio Estay, Thomas März, Maxime Pidoux, Pieter Roijen und Carlos Vera Larrucea nicht nur im Orchester zusammen, sondern widmen sich mit OPERcussion auch dem Bereich des Crossover von lateinamerikanischer Musik, Jazz und Rock.
Im Zusammenhang mit dem 500-jährigen Bestehen der Staatsoper startete das hauseigene Label 2023 eine CD-Reihe, mit der die Vielseitigkeit des Klangkörpers und seiner Mitglieder dokumentiert werden soll. Den Anfang macht OPERcussion mit der CD Original Grooves, auf der das Quintett durch opernhaft opulente Percussion-Landschaften reist. Das c-Moll-Präludium aus dem ersten Band von J. S. Bachs Wohltemperiertem Klavier macht den Anfang und nimmt Kurs auf Kuba, in Fuga y Misterio und La Muerte del Ángel begegnen wir in Buenos Aires dem Tango Astor Piazzollas, über Puerto Rico gelangen wir nach Mexiko. Zwischendurch erklingt Musik von Chick Corea und Dizzy Gillespie, zum Abschluss der CD, wir sind mittlerweile in Chile, kommt es zur großen Oper: Die Sopranistin Juliana Zara schraubt sich im Arrangement von Violetta Parras Gracias a la Vida zu den Spieluhrklängen der Mallets in schwindelerregende Höhen zu einem fulminanten Abschluss.
Die CD-Produktion ist von überragender interpretatorischer Qualität, bei den Musikern sitzt buchstäblich jeder Ton. Jede noch so vertrackte Fugato-Passage ist so klar gespielt, dass man die einzelnen Töne mitschreiben könnte, die Rhythmusgeflechte der Trommeln, Glocken und Becken sind in Sound und Mikrotiming sehr gut austariert. Das Zusammenspiel des Quintetts mit seinen Gästen Tomàs Taral (Kastagnetten u. a.), Julia Pfister (Violine), Juliana Zara (Sopran) und Alvaro Zambrano (Tenor) ist musikalisch perfekt und geschmackvoll. Die Klangproduktion, für die der Schlagzeuger Claudio Estay selbst als ausführender Produzent verantwortlich zeichnet, steht der musikalischen Qualität in nichts nach. Ein sehr transparentes und dadurch in jeder Sekunde gut durchhörbares Klangbild lässt keine Wünsche offen. Alles in allem: Der Motor läuft wie geschmiert, die Klimaanlage funktioniert, staubfrei glänzt der Lack.
Wer eine derartige Klassik-Fusion-Percussion liebt, der wird von OPERcussion bestens und auf allerhöchstem Niveau bedient, der wird über die Leistungen staunen und beim Hören ein großes Vergnügen haben. Allein die Frage bleibt offen, wie original die Musik ist. Der Interpretation von Gracias a la Vida zum Beispiel, das Violeta Parra kurz vor ihrem Freitod schrieb, fehlen bei aller Lebensfreude und Virtuosität die Schattenseiten und der Staub an den Füßen: „Danke an das Leben, das mir so viel gab / Es gab den Gang meinen müden Füßen / Mit ihnen lief ich in Städten und durch Pfützen / Über Strände und durch Wüsten“.
Stephan Froleyks