Halffter, Cristóbal
Orchestral Works
Lange hat diese Platte auf sich warten lassen. Doch nun entschädigt die fulminante Einspielung dreier Orchesterwerke, bei der der Komponist Cristóbal Halffter (geb. 1930) selbst am Pult des Radio-Sinfonieorchesters Frankfurt heute hr-Sinfonieorchester steht, dafür umso mehr. Es sind Stücke, die für festliche Anlässe geschaffen wurden, denen Feier und Freude innewohnen und auch existenzielle Anliegen eingeschrieben sind, und die ein eindrucksvolles Entree in die musikalische Welt des Spaniers bieten.
Die Dortmunder Variationen (1986/87), Auftragswerk des Philharmonischen Orchesters Dortmund zum 100-jährigen Bestehen, sind nicht nur eine Eloge, sondern eher wie die anderen Stücke auch eine ausgesprochene Herausforderung: Solisten, alle Register und der gesamte Klangkörper müssen sich virtuosen Aufgaben stellen und können beste Präsentationsmöglichkeiten nutzen. Schon der kompakte Auftakt fordert die Blechbläser voll, und deren Fanfare signalisiert mit brüchigem Klang die positiven und negativen Aspekte unserer Zeit. Doch nicht ein Thema wird variiert, sondern die Musik ist für die Spezifik jeder Instrumentalgruppe konzipiert: Holzbläser, Streicher und das reich bestückte Schlagzeug fügen kantige Blöcke und ruhige Episoden, flirrende Klangfelder, vehemente Ausbrüche und eine lange expressive Phase aneinander; sie verwandeln das Material, ehe mehrere Anläufe im Tutti eine Art Reprise ansteuern, um der Fanfare den richtigen Schluss zu geben: Die Note D hat eine besondere Bedeutung, da der Name Dortmund mit D beginnt und endet. Momente der Besinnung und Dramatik in dieser Festmusik unterstreichen die Vielschichtigkeit von Halffters Ausdruckswillen.
In Odradek (1996) einer Hommage an Franz Kafka sowie der Tschechischen Philharmonie zum 100. Geburtstag und dem Dirigenten Gerd Albrecht gewidmet verdichtet er die programmatischen Züge: Er thematisiert anhand der literarischen Figur Kafkas den Zwiespalt zwischen Realität und Irrationalem, zwischen Mensch und Gegenstand, zwischen Ziellosigkeit und Sinnsuche kurz: die Entfremdung des Menschen. Schroffe Gesten, bedrohliche Unruhe, fragmentarische Themengestalten, ein intensiver Halteton der hohen Streicher erscheinen als Klangzeichen gemeinsam mit charakteristischen Strukturen aus früheren Werken.
Auch Tiento del primer tono y batalla imperial ist ein Auftragswerk: Die Stadt Basel schenkte es 1986 Paul Sacher zum 80. Geburtstag. Halffters Stück über Musik alter spanischer Orgelmeister, die seiner Schaffensauffassung eng verbunden sind, gewinnt aus El tiento del primer tono von Antonio de Cabezón kontrapunktische Dichte und würdevollen Ausdruck, La batalla imperial von Juan Bautista José Cabanilles lässt nahtlos den großen Aufzug folgen. Ernster Streichergesang, festliche Bläserchöre und das Dröhnen der Basler Trommeln verleihen der Musik unmittelbare Wirkung. Und die Aufnahmen mit dem Frankfurter Orchester begeistern durch klare Konturen, opulente Farben und weite Klangräume. Was man hört, hinterlässt einen starken Eindruck!
Eberhard Kneipel