Höller, Karl
Orchesterwerke, Vol. 3
Sinfonie Nr. 1 cis-Moll op. 40 / Sinfonie Nr. 2 in g op. 65 "Huldigung an Mozart"
Am 25. Juli 2007 wäre Karl Höller hundert Jahre alt geworden. Höller, der einer alten Bamberger Organistenfamilie entstammte, war in erster Linie als Komponist von Orchester-, Kammer- und Orgelmusik aktiv und erfolgreich. Noch 1982 schrieb Wolf-Eberhard von Lewinski im Beiheft zur Schallplattenedition Zeitgenössische Musik in der Bundesrepublik Deutschland über ihn, er dürfe als einer der am meisten aufgeführten Komponisten seiner Generation bezeichnet werden. Heute hingegen ist Höllers Musik auf den Konzertpodien kaum noch präsent ein Schicksal, das er mit vielen seiner Generationsgenossen, etwa Wolfgang Fortner, teilt. Um so erfreulicher ist es, dass das von Musikwelt vertriebene Label ambitus anlässlich des 100. Geburtstags des Komponisten eine CD-Reihe mit ausgewählten Werken Höllers veröffentlicht. Bei der hier vorliegenden Aufnahme der beiden Sinfonien handelt es sich höchstwahrscheinlich um Ersteinspielungen, obwohl dies nicht auf dem CD-Cover vermerkt ist.
Höller war nie ein Revolutionär, sondern fühlte sich stets der Tradition verpflichtet. Auch in seinen beiden Sinfonien wirft er den Blick zurück auf musikalische Vorbilder: Im Falle der 1945 vollendeten 1. Sinfonie cis-Moll ist es Anton Bruckner; darauf hat der Komponist selbst hingewiesen. Stilistische Ähnlichkeiten sucht man jedoch vergeblich, es ist vielmehr der sinfonische lange Atem Bruckners, der Höller nach eigener Aussage inspirierte. Klanglich finden sich vor allem Bezüge zum französischen Impressionismus, und von der Grundaussage her kann das Werk als spätromantisch charakterisiert werden, mit einem weihevollen, verklärt endenden Adagio als Schlussatz, in dem Höllers Religiosität manifest wird. Wem Vergleiche nützen, der mag in der dichten, wogenden Harmonik Parallelen zur Sinfonik des Engländers Arnold Bax erblicken, wenngleich Höllers Musik leichter fassbar bleibt. So interessant die Begegnung mit diesem Werk einerseits anmutet, so wenig wahrscheinlich ist es, dass es sich einen Platz im Konzertleben zurückerobern wird. Seine unzweifelhafte Ausdruckskraft ufert oft ins Exaltiert-Pathetische aus, und manche innig gemeinte Passage wirkt heute lediglich zuckrig.
Wesentlich beherrschter und transparenter gibt sich die zweite Sinfonie g-Moll aus dem Jahr 1973; sie ist eine der letzten Orchesterkompositionen Höllers und trägt den Zusatz Huldigung an Mozart. Das einleitende Seufzermotiv aus Mozarts Sinfonie g-Moll KV 550 prägt das Werk vom ersten bis zum letzten Takt; die Instrumentation ist schlank und durchsichtig, die Harmonik in ihrer Verquickung von spätromantischen und impressionistischen Elementen reinster Höller. Überraschend wirkt angesichts des serenadenhaften Charakters der Sinfonie ihr melancholischer Schluss. Keine Musik, die die Welt verändert, der man jedoch ab und an durchaus gerne zuhört.
Die Bamberger Sinfoniker unter Hermann Bäumer liefern saubere, zuverlässige Interpretationen, denen man an einigen Stellen lediglich etwas mehr rhythmische Konturierung wünschen würde. Zur Ehrenrettung eines fast vergessenen Komponisten tragen sie jedoch zweifelsohne bei.
Thomas Schulz