Haas, Dirk

Oper, Konzert und Orchester am Weimarer Hoftheater 1857 bis 1908

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Verlag Dr. Kovac, Hamburg 2015
erschienen in: das Orchester 11/2016 , Seite 56

Die Geschichte des Weimarer Musiklebens fand bereits in zwei Monografien Beachtung, welche die Zeiträume von 1683 bis 1735 und 1756 bis 1861 in den Blick nahmen. Eine jüngst erschienene Dissertation knüpft daran an: Der Musikhistoriker Dirk Haas analysiert in seiner umfangreichen Arbeit das Opern- und Konzertwesen am Weimarer Hoftheater von 1857 bis 1908. Fragen nach institutionellen Strukturen, organisatorischen Abläufen, Repertoireschwerpunkten, der Gewichtung unter den Sparten Schauspiel, Oper und Konzert sowie dem wandelnden Status der Musiker bilden das Hauptaugenmerk des Autors. Auf diesen Gebieten lassen sich sowohl temporäre Schwankungen als auch grundlegende Veränderungen konstatieren, deren Neue­rungen zum Teil bis in die heutige Zeit hineinwirken, denkt man etwa an das Engagement von Gastdirigenten oder die Einführung von Orchesterprobespielen 1907.
Die betrachtete Zeitspanne fällt in die Regierungszeit Carl Alexanders, dessen Kunstinteresse und Repräsentationswille das provinzielle Theater wieder zu einer der bedeutendsten Bühnen Deutschlands machte: „Der Großherzog wollte Weimar zu einem führenden Ort der deutschen Kultur ausbauen und benötigte hierzu Persönlichkeiten, die mit Initiativen die Kulturarbeit vorantrieben“, schreibt Haas. Diese Persönlichkeiten fand Carl Alexander etwa in Franz Liszt, Eduard Lassen und Richard Strauss. Sie bekleideten den Posten des Hofkapellmeisters und standen im Licht der Öffentlichkeit. Die Intendanten an der Spitze des hierarchischen Betriebs waren hingegen in Absprache mit Carl Alexander – und in unterschiedlichem Maße mit den Kapellmeistern – für die inhaltliche Gestaltung tonangebend. Daher entfaltet Haas die Kontinuitäten und Um­brüche der Institution „Hofkapelle“ in chronologischer Reihenfolge der Intendanzen – von der Ära Franz von Dingelstedt (1857) bis zum Ende der Ära Hippolyt von Vignau (1908). Als Grundlage dienten ihm Unterlagen der Generalintendanz sowie die vollständig überlieferten Theaterzettel, zeitgenössische Briefe und Aufzeichnungen. Viele dieser Quellen werden erstmals veröffentlicht und zitierte Passagen geben einen lebendigen Eindruck von den Persönlichkeiten und Umständen.
Dass sich solche Auswertungen nicht immer wie ein Kriminalroman lesen, kann man dem klaren Ausdruck Haas’ nicht zum Vorwurf machen. Eine besondere Leistung des Verfassers liegt in der statistischen Auswertung des Opernrepertoires. So kristallisiert sich Weimar als wichtige Bühne der Wagner-Rezeption heraus, welche nicht zuletzt von nationalistischen Strömungen um die Jahrhundertwende begünstigt wurde. Auch die Dokumentation der zum Teil prekären Verhältnisse der Musiker, die sich allmählich nicht mehr als „untertänigste Diener“, sondern als Beamte in Landesdiensten verstanden, ist eindrücklich.
So leistet Haas’ Buch einen wertvollen Beitrag zur Erforschung der Weimarer Hofkapelle in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie einzelner Künstlerpersönlichkeiten und bietet auch dem geschichtsinteressierten Laien eine aufschlussreiche Lektüre.
Nastasia Sophie Tietze