Schubert, Franz / Mario Wiegand
Oktett für Klarinette, Horn, Fagott und Streicher F-Dur D 803 / Dunkle Lichter. Oktett für Klarinette, Horn, Fagott und Streicher
ich componirte 2 Quartetten [
] und ein Octett, und will noch ein Quartetto schreiben, überhaupt will ich mir auf diese Art den Weg zur großen Sinfonie bahnen, so lässt Schubert seinen Freund, den Maler Leopold Kupelwieser, im März 1824 wissen. Tatsächlich hat Schuberts Oktett wahrhaft himmlische, sinfonische Längen, und nicht nur darin liegt die Herausforderung für eine Kammermusik-Formation, die sich diesem großartigen Werk widmet. Da sind die virtuos konzertierenden Stimmen für die erste Violine und die Klarinette, da müssen sich die fünf Streicher in der klanglichen Balance mit den drei Bläsern miteinander abstimmen. Und auch der Hornist hat einen anspruchsvollen solistischen Part.
Das East Side Oktett, acht Musiker aus dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, überzeugt hier mit einer reifen musikalischen Leistung sowie einer detailgenau erarbeiteten Interpretation. Streicher und Bläser finden sich zu einem wunderbar warmen Gesamtklang zusammen. Die virtuosen wie die lyrischen Soli werden bei Geiger Philipp Beckert oder bei Hornist Uwe Holjewilken und dem ungeheuer sensiblen Klarinettisten Oliver Link zum Leuchten gebracht, da hört man ein feines Gespür für
die so kontrastierenden Emotionen in Schuberts Oktett.
Anders als Schubert versteht der 1970 in Chemnitz geborene Mario Wiegand sein Oktett Dunkle Lichter rein kammermusikalisch. Das Werk entstand als Auftragskomposition des CD-Labels Es-Dur, es sollte Kontrast und Ergänzung zu Schuberts Oktett sein. Wiegand experimentiert mit den Reizen der Klangfarben-Möglichkeiten durch verschiedenste Instrumenten-Kombinationen. Spieltechniken wie Tremoli oder Flageoletts nutzt der Komponist, um Hell-Dunkel-Kontraste entstehen zu lassen. Die Farbwechsel strukturieren das Werk auch. Mit einfachen, wirkungsvollen Mitteln wird so die formale Anlage gut nachvollziehbar. Ähnlich wie bei Schubert übernehmen Violine, Klarinette und Horn bei Mario Wiegands Dunklen Lichtern hervortretende melodische Aufgaben. Doch auch die anderen Stimmen haben gesangliche Qualitäten. Es gibt Abschnitte mit einem dichten polyfonen Gewebe und melodischer Eigenständigkeit in jeder Stimme. Dabei fasziniert, wie sensibel und zart Wiegand seine Klänge gestaltet. Den Musikern verlangt er außerdem durch komplexe rhythmische Verschachtelungen eine intensive Auseinandersetzung mit seinem Werk ab. Eine Aufführung mit Dirigent ist hier zu empfehlen, das East Side Oktett hat hier Marek Janowski, den Chefdirigenten des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin, an seiner Seite.
Sowohl im Oktett von Mario Wiegand wie auch bei Schuberts Meisterwerk beeindruckt das East Side Oktett durch seine tiefe und ernste Herangehensweise, bei der jedoch die Musizierfreude nicht zu kurz kommt. Gerade bei Schuberts Oktett gibt es bereits einige sehr gute Einspielungen mit bekannten Solisten; das East Side Oktett Berlin fügt nun eine weitere exzellente hinzu.
Elisabeth Richter