Jaques Offenbach

Offenbach Colorature

Jodie Devos (Sopran), Münchner Rundfunkorchester, Ltg. Laurent Campellone

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Alpha Classics
erschienen in: das Orchester 09/2019 , Seite 63

Ziemlich unaufdringlich kommt diese CD daher: ein blasses, aufgewecktes Frauengesicht, ein Klacks Rot an den Lippen und einer in Blau am rechten Augenlid und der Titel Offenbach Colorature springen einen nicht unbedingt sofort an. Umso erstaunlicher, was sich bereits ab den ersten Tönen offenbart und an Qualität bis zum letzten Ton nicht auch nur einen Moment lang nachlässt: eine Stunde Offenbach in 14 Arien für Koloratursopran, einem Duett und einer Orchesterouvertüre, die das hier hervorragend solierende Münchner Rundfunkorchester unter der Leitung des Dirigenten Laurent Campellone in vier Minuten Spieldauer zu einer Miniatursymphonie erhebt.

Dieses ausschließlich Jacques Offenbach gewidmete Album ist das Produkt der Zusammenarbeit des Labels Alpha Classics und der Musikstiftung Palazzetto Bru Zane, die sich zum Ziel gesetzt hat, französische Musikgeschichte in weiterem Sinne zwischen 1789 und dem Ersten Weltkrieg zu erforschen, die Partituren zu katalogisieren, zu analysieren und anschließend an die Öffentlichkeit zu bringen.

So befinden sich auf dieser Zusammenstellung auch weniger bekannte Musiken des Komponisten, wie zum Beispiel „Je suis nerveuse“ aus Le Voyage dans la lune oder die Romanze Voilà toute la ville en fête und drei Arien aus der Oper Boule de neige. Daneben begegnen uns Berühmtheiten wie das Couplet der Olympia „Les oiseaux dans la charmille“ oder die Barcarolle „Belle nuit, o nuit d’amour“, beides aus Hoffmanns Erzählungen. Dass jedoch alle Piecen, ob bekannt oder unbekannt, melancholisch, poetisch oder in eleganter 3/4-Bewegung, gleichermaßen hörenswert sind, ist neben der sensiblen bis klangvollen Begleitung des Orchesters vor allem Jodie Devos zu verdanken.

Die unter anderem mit dem 2. und dem Publikumspreis des Concours Reine Elisabeth in Belgien gekürte und 2015 bei den International Classical Music Awards zur „Jungen Künstlerin des Jahres“ ernannte Sopranistin mit dem strahlenden Timbre hat inzwischen international Karriere im Koloraturfach gemacht. Unverbraucht frisch und nie spitz klingt ihr vom hohen e bis zum tiefen gis perfekt ausbalancierter Sopran. Poesie und Virtuosität reichen sich stets die Hände, wobei Jodie Devos die kompositorischen Vorgaben je nach Charakter mit zarten Non-Vibrato-Seufzern versieht, halsbrecherische Intervallsprünge mit perfekter Intonation meistert oder Koloraturkaskaden mit einer Leichtigkeit überwindet, der man sich nur staunend hingeben kann.

Und auch wenn sich nach so viel Walzerschwung zwischen den Nummern 12 und 14 kurzzeitig ein leichter Überdruss einstellen möchte, bleibt man aufgrund der eleganten Interpretation sowohl seitens der Sängerin als auch des Orchesters weiter aufmerksam, bis kurz vor Schluss die Mezzosopranistin Adèle Charvet zusammen mit Jodie Devos duettiert. Das hätte ruhig öfter stattfinden können. Dennoch kann ich diese „Coloraturen“ nur empfehlen – sei es um finstere Zeiten aufzuhellen oder um beste Momente zu krönen.

Kathrin Feldmann