Piazzolla, Astor
Oda para un hippie
Der argentinische Komponist Astor Piazzolla ist erst in jüngsten Jahren, vor allem aber nach seinem Tod im Jahr 1992 weltweit bekannt und berühmt geworden. Seine lateinamerikanische Herkunft weist schon auf sein Haupttätigkeitsfeld als Komponist und Interpret hin: die südamerikanische Musik. Piazzolla genoss eine fundierte, professionelle Ausbildung als Komponist, Bandoneonspieler und Dirigent, u.a. bei Alberto Ginastera, Nadja Boulanger und Hermann Scherchen. Er komponierte Ballettmusiken, Symphonien, Oratorien und eine Oper. Erst spät spezialisierte er sich auf die lateinamerikanische Folklore und widmete sein Schaffen der Verbreitung des argentinischen Tangos als seriöser Konzertmusik. In dieser Hinsicht steht er exemplarisch für eine Verschmelzung von Popularmusik und Avantgarde.
Auf der CD finden sich zwölf Stücke Piazzollas aus verschiedenen Schaffensperioden. Sie bie-ten einen repräsentativen Querschnitt seines Schaffens. Helmut Abel, der den Komponisten noch persönlich kannte und ihm freundschaftlich verbunden war, ist ein authentischer Interpret der Werke Piazzollas. Die Stücke hat er selbst ausgesucht und für Streichquartett und Bandoneon bearbeitet.
Damit folgt er durchaus einer Tradition und auch der Intention des Komponisten, der in den letzten Jahren seines Lebens mit verschiedenen, unterschiedlich besetzten Ensembles reiste und so seine Musik vor allem in Europa bekannt machte. Von vielen Stücken gibt es bis zu zwanzig verschiedene Bearbeitungen, wobei man keine als allein verbindlich ansehen kann. Die zwölf Stücke zeigen eine große Vielfalt an Formen, Melodien und Klangfarben. Neben einigen Tangos gibt es auch verschiedene Arten der Rumba und anderer Tanzarten, ohne dass das im Titel immer so erscheint.
Gleich im ersten Stück zeigen sich die Vorzüge von Komposition und Interpretation. Eine sinnliche, typisch südamerikanische Melodie wird von lebhaften, teilweise aggressiven Rhythmen grundiert. Das Bandoneon spielt dazu anhaltende, dissonante Akkorde. Das zweite Stück Novitango erinnert mit seiner ostinaten synkopischen Rhythmik und Motivik an Strawinsky, quasi ein Strawinsky mit sinnlicher Melodik. In vielen Stücken setzt Abel auch Geräusche zur Intensivierung des Rhythmus ein. Die Spielerinnen des Quartetts setzen ihre Instrumente auch perkussiv ein: Klopfen auf dem Korpus, Schlagen des Bogens auf die Saiten, col legno-Spiel und Streichen hinter dem Steg.
Hervorzuheben sind noch drei Stücke als besonders delikat. Kicho enthält ein wundervolles Cellosolo mit vielen differenzierten Spielmodi und virtuosen Passagen. Als Pendant dazu bietet Escualo der 1. Violine ein virtuoses, harmonisch sehr reiches Solo. Christiane Pape (Cello) und Kirsten Harms (Violine) beweisen eminentes Können. Coral, eines der beiden langsamen Stücke, erinnert etwas an de Falla mit seiner archaischen Harmonik. Hier glänzt die Bratschistin Annette Fieguth mit einer warmen Kantilene, begleitet vom Pizzicato des Cellos. Insgesamt zeigt das Fortuna Quartett mit Helmut Abel eine hörenswerte Auswahl aus Piazzollas Werken.
Otto Junker