Schubert, Franz

Octet

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin GEN 13269
erschienen in: das Orchester 11/2013 , Seite 81

Vorliegende Aufnahme mit dem Schubert’schen Oktett F-Dur op. 166 D 803 wurde mit sehr viel Liebe und Sinn fürs Detail eingespielt. Das international renommierte Amaryllis-Quartett mit Gustav Freilinghaus und Lena Wirth (Violinen), Lena Eckels (Viola) und Yves Sandoz (Violoncello) taten sich mit der Kontrabassistin Alexandra Hengstebeck und den drei Bläsern Markus Krusche (Klarinette), Daniel Mohrmann (Fagott) und dem Hornisten Christoph Eß zusammen und nahmen, nach 25 erfolgreichen Konzerten in Deutschland und der Schweiz, schließlich im Dezember 2011 das Opus magnum auf.
Es sprengte in der Kammermusik schon damals alle bislang gekannten Maße und gehört zu Schuberts längsten Instrumentalwerken mit beinahe Bruckner’schen Dimensionen. Gleich zu Adagio-Beginn mit dem unisonen f im Bass und den Bläsern, worüber vorsichtig die Streicher das Thema entwickeln, eröffnet sich feinsinnig die Schubert’sche Klangwelt. Die acht Künstler spielen die vorgesehene Wiederholung und nehmen sich für das Werk glücklicherweise auch sonst viel Zeit: Mit mehr als 62 Minuten Dauer kosten sie insbesondere die langsamen Sätze, das herrlich schwebende und sehnsüchtige Adagio – zweifellos der Satz mit den bewegendsten Momenten – und das liebenswürdig interpretierte Andante con variazioni bis zuletzt aus, ohne an Spannung und sonniger Atmosphäre einzubüßen. Es gibt zwar andere Ensembles, die sich noch ein bis zwei Minuten länger Zeit lassen, dennoch ist hier das Gleichgewicht von langsam und schnell perfekt im Lot. Und gerade die einfallsreichen Variationen geben hier den Acht Gelegenheit, die modifizierten Wiederholungen klanglich fein zu modellieren – eine wunderbare Aufgabe, die jeder mit inniger Anteilnahme zu lösen wusste.
Die unheimliche Fülle, die geniale Melodik und die kaum zu überbietende Schönheit und verschmelzende Farbigkeit des Bläserklangs, die das Oktett in sich birgt und die beinahe überzulaufen scheint, nehmen die acht jungen Musiker mit knisternder Spielfreude auf und lassen die musikalischen Gedanken in fantastischer Weise und homogen erklingen. Überhaupt schmiegt Krusche sich mit seiner einfühlsam und sinnlich gespielten Klarinette klanglich bestens an die beiden anderen, ebenfalls mit weichem Timbre aufspielenden Bläser. Sie verleihen damit dem Oktett eine sagenhafte, hinschmachtende Naturweichheit.
Die schnellen Teile der Variation und ebenso die mit viel Übersicht interpretierten Allegro-Passagen wirken fröhlich, sehr emsig wie ein frischer, wohltuender Luftzug, aber nie gehetzt oder aufgesetzt. Hier sind es die Streicher, die überaus transparent für seidige Atmosphäre sorgen. Im Finalsatz steckt die Gefahr, ins Divertimentohaft-Unverbindliche abzugleiten, wenn nach beinahe einer Stunde die Konzentration und Spielintensität nachzulassen droht. Die acht Künstler schienen diese Gefahr zu spüren, und spielen den zunächst düster beginnende Satz mit größter Achtsamkeit und Aufmerksamkeit und in einem eher gemessenen Tempo, trotzdem mit duftiger Leichtigkeit.
Werner Bodendorff