Mozart, Wolfgang Amadeus / Joseph Haydn

Oboenquartett KV 370 / Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Campanella Music C 130199
erschienen in: das Orchester 10/2014 , Seite 77

Zwei Werke auf einer CD, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Mozarts herrliches, dreisätziges Oboenquartett von 1781 und Haydns Passionsmusik Sieben letzte Worte Hob. XX:1 in einer Fassung für Oboe und Streicher. Die Aufnahme ist ein Mitschnitt eines Konzerts in der katho-
lischen Pfarrkirche in Aschau, einem kalten, intonationsempfindlichen Raum, im bayerischen Chiemgau am Karfreitag 2012.
Das für Oboisten trotz virtuoser Passagen – insbesondere im Finalsatz – zur Standardliteratur gehörende, schön zu spielende Werk Mozarts besticht durch seine sonnige Leichtigkeit und divertimentohafte Lebensfreude, aber auch durch beseelten Tiefgang im langsamen Satz. Hansjörg Schellenberger entfacht mit goldenem Ton diese Atmosphäre gekonnt, ehrlich, ohne jegliche Manieriertheit und oberflächliche Professionalität. Die Tempi sind bestens gewählt, die Oboe leuchtet in hellen Farben: Mozart’sche Kammermusik, so wie sie sein soll.
Einige Jahre nach dem Oboenquartett entstanden 1786 bis 1787 Haydns sieben kirchenmusikalische „Sonaten“, wie der Komponist sie selbst nannte. Schellenberger spielt in der hier eingespielten Streichquartettfassung, die bekanntlich Haydn wohl über weite Teile selbst bearbeitet hatte, „ohne Einschränkung die Stimme der 1. Geige – von minimalen Abweichungen abgesehen, die jedoch nicht in die Substanz der Komposi­tion eingreifen“. Gemeint sind hier die fehlenden Töne der Oboe, deren Tonumfang nur bis zum kleinen b hinunterreicht. Außerdem ist ein alternativ besetztes, melodieführendes Blasinstrument statt der ersten Violine nichts ungewöhnliches, zumal die Bläserstimmen der Orchesterfassung ohnehin meist lediglich colla parte, also unisono mit den entsprechenden Streichern mitspielen. Schellenberger weiter: „Der Gewinn aber ist: Der melodieführende Charakter der 1. Geige wird durch die andere Farbe der Oboe nur noch verstärkt und gibt der Musik noch eine Farbe und Ausdrucksdimensionen dazu.“
Man kann Schellenberger durchaus Recht geben, wie der Charakter und die Atmosphäre sich infolgedessen gegenüber einem reinen Streicherklang positiv verändert hat. Haydns Wort, dass mit „jedweder Sonate […] bloß durch die Instrumental Music dergestalten ausgedruckt […] den unerfahrendsten den tiefsten Eindruck in Seiner Seel Erwecket“ werden soll, wird durch den sonoren, beinahe tröstenden Oboenklang in manchen Passagen spürbar deutlich. Dennoch birgt dieser in sich nicht sehr abwechslungsreiche Zusammenklang auch die Gefahr des meditativen Hinwegdämmerns oder des Sich-schnell-Abhörens in der Abfolge der sieben Sätzen im durchweg getragenen Tempo. Haydn hatte sich diesbezüglich schon seine Gedanken gemacht. Das zweisprachige Booklet erhellt u.a. die kurze Entstehungsgeschichte des Oboenquartetts, betrachtete anhand von Erläuterungen sowie Notenbeispielen den inneren Zusammenhang der sieben Sonaten zueinander, welche Haydn in seiner „gläubigen Intellektualität“ in hoher Konsequenz und Logik vollendet hat.
Werner Bodendorff