Oboenkonzerte

Werke von Hugo Schunke, Carl August Nielsen, Johann Wenzeslaus Kalliwoda und Josef Guy Ropartz

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Capriccio 67134
erschienen in: das Orchester 12/2005 , Seite 73

Während die Oboe im 18. und 20. Jahrhundert reich mit häufig anspruchsvollen Solokonzerten bedacht wurde, sieht die Situation im 19. Jahrhundert ganz anders aus. Zwar mag die Bedeutung, die dem Instrument in der sinfonischen Musik zugestanden wurde, für das Fehlen von die Gattung prägenden Solokonzerten etwas entschädigen, das Bemühen um unbekannte Oboenkonzerte aus dieser Zeit ist dennoch hoch willkommen. So ist eine sehr informative CD mit Einspielungen von Kompositionen von Hugo Schunke, Carl August Nielsen, Johann Wenzel Kalliwoda und Josef Guy Ropartz, der ebenso wie Nielsen (Todesjahr 1931) aus dem zeitlichen Rahmen fällt – er starb erst 1955 –, sehr zu beachten. Wobei es sich bei den hier aufgezeichneten Beiträgen Nielsens, den Fantasiestücken op. 2, um frühe Werke handelt, die noch ganz dem 19. Jahrhundert verhaftet sind.
Im Zentrum dieser von dem renommierten Oboisten Lajos Lencsés, der jüngst auch eine sehr kenntnisreiche Einspielung französischer Oboenmusik (Capriccio 67064) sowie eine mit ungarischen Oboenkonzerten (Capriccio 10894) vorgelegt hat, geprägten Einspielung steht aber das Oboenkonzert von Hugo Schunke. Während Schunkes Bruder Ludwig, Freund Robert Schumanns und Mitbegründer von Schumanns Neuer Zeitschrift für Musik, zumindest dem Namen nach heute noch bekannt ist, sind Leben und Werk von Hugo Schunke bislang kaum beleuchtet worden. Hugo Schunke wurde 1809 in Stuttgart geboren und trat dort als Geiger schon im Alter von 13 Jahren mit der Hofkapelle auf. Schunke, der mit bedeutenden Musikerpersönlichkeiten wie Johannes Brahms, Clara Schumann oder Franz Liszt im Kontakt stand, starb 1909 in seiner Heimatstadt.
Sein Oboenkonzert komponierte er 1845. Formal ist das a-Moll-Konzert am dreisätzigen Solokonzert der Klassik orientiert, in seiner Klanggestalt aber eindeutig von der Frühromantik geprägt. Lencsés kann seine geschmeidige Klanggestaltung, seine virtuosen Fähigkeiten ebenso wie seine dynamische Variabilität hier im besten Licht zur Geltung bringen. Begleitet wird er dabei durchaus aufmerksam, wenngleich gelegentlich etwas pauschal vom Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR unter Leitung von Bernhard Güller. Sicher ist das Schunke-Konzert kein vergessenes Meisterwerk, als Bereicherung für das schmale Oboenrepertoire des 19. Jahrhunderts ist es aber mehr als begrüßenswert.
Die weiteren Werke, die hier unter dem etwas irreführenden Obertitel „Oboenkonzerte“ versammelt sind, haben mehr „miniaturistischen“ Charakter. Die beiden Fantasiestücke op. 2 von Nielsen, die hier in einer Fassung für Oboe und Streichorchester vorgestellt werden, Kalliwodas Morceau de Salon op. 228 oder Ropartz’ Pastorale et danses bedienen sich aber des Timbres der Oboe mit Kennerschaft. Lencsés kann hier seinen Klangsinn und die Fähigkeit, weite Bögen zu gestalten, ebenso ins Spiel bringen wie die unterschiedlichen Schattierungen von Melancholie, die fast alle der hier versammelten Miniaturen prägt. Eine nicht nur infolge ihrer Repertoireerweiterung sehr ansprechende CD-Produktion.
Walter Schneckenburger