Shchedrin, Rodion
Oboe Concerto
Klavierauszug vom Komponisten
Als noch lebender Ast am Baum der russischen Musik: So sieht sich der in Moskau geborene Komponist Rodion Shchedrin, dessen 2009 geschriebenes Oboenkonzert jüngst bei Schott erschien. Der lediglich von ausgebildeten Pianisten zu bewältigende Klavierauszug stammt vom Komponisten selbst. Gleich vier europäische Orchester von Rang sind an den in Moskau geborenen Tonkünstler herangetreten und haben das Werk bestellt: das Concertgebouw Orchester Amsterdam, das Royal Liverpool Philharmonic Orchester, das Orchestre Nationale du Capitole de Toulouse und die Dresdner Philharmonie. Und so wehten zwischen dem 18. Juni (Uraufführung in Amsterdam) und dem 30. Oktober 2010 (deutsche Erstaufführung in Dresden) die Rezensionen durch den europäischen Blätterwald und anderen Medien, welche das Werk eifrig zu loben verstanden.
Tatsächlich ist es ein bemerkenswertes Konzert. Es enthält neben kontemplativen Momenten im sehr langsamem Zeitmaß mit einer sehnsüchtigen Innenschau zu Beginn und am Schluss des mit Elegy betitelten Kopfsatzes viele folkloristische, liedhafte und bukolische Elemente, insbesondere in den schnelleren Passagen mit oft wechselnden Tempi und synkopischen, vorwärtsdrängenden Rhythmen. Auch die Instrumentierung ist sehr farbig mit großem Bläserapparat sowie zahlreichen Schlag-
instrumenten, das Orchester (bzw. das Klavier) erhielt genügend Raum, sich klanglich zu entfalten.
Offenbar verarbeitete Shchedrin seine Kindheitserlebnisse im russischen Provinzstädtchen Aleksin. Hier war die Volksmusik noch sehr lebendig [
] Es war nichts Ungewöhnliches, die Rufe und Schalmeienklänge der Hirten zu hören, die ihre Herden am anderen Ufer der Oka zusammentrieben. Die drei Sätze mit einem Duett als Mittelteil zwischen der Solo-Oboe und einem melancholischen Englischhorn ähnlich wie in Hector Berlioz Symphonie fantastique, welches unablässig die Solostimme nachsingt bzw. ihr antwortet und einem furiosen Finale con Epilog fließen übergangslos ineinander über. Der Epilog selbst schließt harmonisch unaufgelöst in seiner Rückschau den Bogen zum ersten Satz mit wiederum sehr langsamen Tempi und viel Chromatik, gefühlvollem Tempo rubato und schmerzvollen Glissandi in der Stimme der Solo-Oboe.
Der Solopart ist über weite Passagen relativ rasch zu bewältigen, insbesondere die schnellen Stellen im letzten Teil verlangen vom Solisten größte Aufmerksamkeit, da die Stimme zunehmend virtuoser wird. Ansonsten legt Shchedrin viel Wert auf Tonkultur. Die Solo-Kadenz dagegen fällt relativ knapp aus. Nach seinen eigenen Worten wollte er in der Solostimme so deutlich wie möglich alle klanglichen und technischen Facetten dieses wunderbaren Instruments zum Ausdruck bringen.
Sowohl Klavierauszug als auch Solostimme sind übersichtlich und sehr gut lesbar gestaltet. Dennoch hat leider der Korrektor im Klavierauszug die Nummer 52 übersehen bzw. diese steht vier Takte später, wo eigentlich die 53 hätte stehen müssen; zusätzliche Taktzahlen wären hilfreich gewesen.
Werner Bodendorff