Pjotr Iljitsch Tschaikowsky
Nutcracker. A dramatic symphony
Arr. von Kristjan Järvi, Baltic Sea Philharmonic
Diese Aufnahme von Peter Iljitsch Tschaikowskys Nussknacker beginnt mit einer ätherisch instrumentierten Musiknummer, die man noch gar nicht kennt. Sie heißt Welcome to Wonderland und führt träumerisch in das bekannte Weihnachtsballett ein. So wird von Anfang an klar, dass diese CD der Baltic Sea Philharmonic andere Wege einschlagen will als die Konkurrenz.
Kristjan Järvi, der Chefdirigent des aus jungen Musikerinnen und Musikern aus Ländern des Ostseeraums bestehenden Orchesters, arrangierte Tschaikowskys Balletthit neu. Das Ergebnis nennt er „A dramatic symphony“ und diese dauert gut 60 Minuten. Ähnliches hat er zuvor bereits mit Tschaikowskys Schwanensee und Dornröschen gemacht und diese ebenfalls bei Sony eingespielt. Seine Absicht war es, aus den bekannten Werken großformatige Orchesterwerke zu machen, die nicht so lang wie die originalen Ballette sind, aber auch nicht so kurz wie die populären Konzert-Suiten, die nur wenige Highlights frei zusammenstellen.
In seinem Nussknacker erzählt Järvi die Handlung in der Reihenfolge des Balletts, so dass das ganze Märchen beim Hören in der Fantasie ablaufen kann. Allerdings kürzt er einige Nummern, komponiert fließende Übergänge hinzu und ändert auch mal die Instrumentation. Das empfindet er keineswegs als Sakrileg an der originalen Partitur, sondern als eine Möglichkeit, diese weltbekannte Musik neu erlebbar zu machen: „Heutzutage wird klassische Musik häufig als eine Art kostbares Relikt betrachtet und mit Samthandschuhen angefasst, fast mit der Sorgfalt eines Archäologen, und die Idee, ein Stück neu zu arrangieren, wird kritisch hinterfragt“, erklärt Järvi dazu im Booklet. „Doch wieso muss das eigentlich so sein?“ fragt er mit Blick auf die Vergangenheit und nennt den Dirigenten und Arrangeur Leopold Stokowski als eines seiner Vorbilder. Gerade dieser war für seine „kreativen“ Eingriffe in die Partitur, aber auch für seine innovativen Konzertformate mit Lichteffekten berühmt. Von diesem Visionär des 20. Jahrhunderts haben sich Järvi und die Baltic Sea Philharmonic immer wieder inspirieren lassen.
Ganz in dessen Sinne wird auch diesmal eine frische, pastose und zügige Interpretation geboten. Es macht Freude, diese Aufnahme zu hören. Da einige der längeren Nummern gekürzt wurden, eilen die vielen Höhepunkte des Balletts rasant an den Ohren vorbei. Bei dieser Aufnahme war zudem wichtig, die lockere Atmosphäre des in Konzerten auswendig und größtenteils stehend spielenden Baltic Sea Philharmonic ins Studio zu übertragen. So hat man bei dieser CD den Eindruck einer Liveaufnahme, die qualitativ hochwertig musiziert ist, aber nicht jedes Detail der Partitur ausleuchten will. Eher zählt hier der „Flow“, den diese Aufnahme hat und der nie nachlässt – was ja auch eine Kunst ist.
Matthias Corvin