Nordische Weisen

Werke von Edvard Grieg und Jean Sibelius

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Capriccio 51171, 2 CDs
erschienen in: das Orchester 05/2005 , Seite 84

Die Krise der Tonträger-Industrie bringt es mit sich, dass Labels aus wirtschaftlichen Gründen versuchen, ihr Repertoire mehrfach zu verwerten. Das freut den Plattenkäufer: Kann er sich doch günstig mit preiswerten Einspielungen eindecken, die ein oder andere abgespielte Langspielplatte durch eine CD ersetzen oder sich an thematisch orientierten Zusammenstellungen erfreuen. Auch Capriccio hat einen Griff in seine Archive getan und die Reihe „Classic Collection“ gestartet: Jede Publikation umfasst dabei zwei CDs mit Werken zumeist eines Komponisten. Dass es sich dabei jeweils um Einspielungen mit diversen Interpreten handelt, lässt Inhomogenität befürchten, erweist sich allerdings eher als Pluspunkt. Jede Veröffentlichung umfasst eine lesenswerte Einleitung; die diskografischen Hinweise bleiben lückenhaft – aber das ist bei Low-Budget-CDs zu verschmerzen.
„The Best of Gershwin“ nennt sich ein Medley auf einem CD-Set – und der Titel könnte für die ganze Veröffentlichung gelten, denn hier finden sich tatsächlich die „Highlights“ versammelt, von der Rhapsody in Blue bis zu Summertime. Diese CDs sind zugleich typisch für die Strategie der Reihe: Sie kombiniert Populäres und Wichtiges aus dem Œuvre bedeutender Komponisten in unterschiedlichsten Aufnahmen. Dass dies nicht unbedingt zusammengestückelt wirken muss, belegt dieses Set. Auf der ersten CD swingt Neville Marriner mit dem RSO Stuttgart und der glänzend aufgelegten Pianistin Cécile Ousset, auf der zweiten imponiert u.a. die hr-Brass mit fetzigem Sound.
Eine kluge Werkauswahl zeichnet die Reihe durchweg aus, und hier darf die Ravel-Collection als beispielhaft gelten: Einer CD mit Orchesterwerken steht die zweite mit Kammermusik zur Seite. Alle Interpretationen wirken atmosphärisch dicht, klangsinnlich und farbenfroh. Dass bei der Aufnahmetechnik unterschiedliche „Stile“ zu konstatieren sind, liegt in der Natur solcher Kompilationen.
Die „Nordische Weisen“ genannte Folge der „Classic Collection“ fällt ein wenig aus der Reihe, denn sie ist zwei Komponisten gewidmet: Grieg und Sibelius. Das muss nicht stören, auch wenn bei Grieg die Werkauswahl zum Beliebigen tendiert (Warum nur einen Satz aus Peer Gynt und den Chorsatz in Deutsch, nicht in Norwegisch?) und auch interpretatorisch Abstriche zu machen sind (Finlandia!).
Eine CD mit Schostakowitsch-Filmmusiken bietet sich an, hat dieses Genre doch den Komponisten lebenslang begleitet: 34 Partituren stammen aus seiner Feder. Capriccio hat mit der vorliegenden Kompilation eine kleine Anthologie kreiert. Dass die eingespielten Werke auch hier von unterschiedlichen Interpreten stammen, die Ausschnitte nicht chronologisch oder thematisch geordnet erscheinen, tut keinen Abbruch: Die Produktion gibt einen spannenden Überblick über des Komponisten stilistische Entwicklung und über die Palette seiner Orchesterkünste. Da finden sich lärmende, patriotische Marschtöne neben spritzigen, karikierenden Scherzi, besinnlich Anrührendes neben romantischen Schnulzen. Auch wer den Film-Hintergrund nicht kennt, kann sich an diesem musikalischen Puzzle erfreuen.
Zu begrüßen ist die Entscheidung, bei der Folge „Mozart Messen“ Interpretationen verschiedener Ansätze zu kombinieren: mit Knabenchor und -solisten einerseits, gemischtem Chor und „normalen“ Vokalsolisten andererseits. Schade aber, dass das Niveau bei den Ausführenden musikalisch nicht gleich hoch ist.
Wer mit dem Dirigenten Hartmut Haenchen nur den Barockspezialisten verbindet, der kennt den Musiker nur zum Teil: Auf der Richard-Strauss-Collection präsentiert er sich an der Spitze des Netherlands Philharmonic Orchestra in einer Produktion aus dem Jahr 1993 als Klangzauberer, der auch mit dem großen Orchesterapparat umzugehen versteht. Dabei gewinnt er der Strauss’schen Tondichtung Also sprach Zarathustra durchaus auch kammermusikalische Seiten ab, wodurch die monumentalen Tableaus, die großen Ausbrüche umso imposanter zur Geltung kommen. Wer Zugang zu Richard Strauss bekommen möchte, ist mir dieser „Collection“ bestens bedient, zumal sie neben den expressiv musizierten Metamorphosen auf der zweiten CD mit Neville Marriner durch Highlights wie Don Juan und Till Eulenspiegel populär abgerundet wird.
Wolfgang Birtel