Busoni, Ferrucio / Hans Pfitzner / Max Reger

Nocturne Symphonique op. 43 / Klavierkonzert Es-Dur op. 31 / Eine romantische Suite op. 125

2 CDs

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Profil/Günter Hänssler PH12016
erschienen in: das Orchester 02/2014 , Seite 77

Auf den Spuren der Romantik wanderte Christian Thielemann ja schon immer gerne. Nicht erst seit seinen Auftritten in Düsseldorf, Salzburg, München und ganz besonders in Bayreuth hat er sich als Spezialist für die romantische oder noch besser spätromantische Klangwelt gezeigt. Angekommen in Dresden als Chef der Staatskapelle erwartet man geradezu ein Romantik-Feuerwerk von ihm. Einen Vorgeschmack davon gab Thielemann am Dresdener Pult ja bereits vor seinem ersten Auftritt als Chefdirigent in Konzerten und CD-Einspielungen. 2009 legte er beim selben Label als Volume 31 der „Edition Staatskapelle Dresden“ seine Interpretation von Bruckners 8. Sinfonie vor, vier Jahre später werden nun die Live-Mitschnitte von Busoni, Pfitzner und Reger aus dem Jahr 2011 als Volume 34 und als „Plädoyer für Dresdner Raritäten“ auf einer Doppel-CD verewigt. Hier treffen sie alle aufeinander: der allen dogmatischen und althergebrachten ästhetischen Vorstellungen abgeneigte Busoni, der schwierige Pfitzners und zum guten Schluss noch der Eigenbrötler Reger. Ein facettenreicheres Bild der spätromantischer Klänge auf dem Weg in die Moderne ist wohl kaum denkbar.
Aber Thielemanns Einsatz für Hans Pfitzner ist nicht frei von politischen Untertönen: Ähnlich wie Wagner (in Israel), der von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde, stößt Pfitzners, der selbst die braune Ideologie bereits 1917 verinnerlichte, auf Vorbehalte. Seine reaktionären und vom Antisemitismus getragenen musikästhetischen Vorstellungen provozierten Thomas Mann zum Diktum: der nationale Künstler habe sich zum anti-demokratischen Nationalisten politisiert.
Der Einsatz für Pfitzner lohnt sich aber: Im Klavierkonzert aus dem Jahr 1922 ist nichts von der Borniertheit seiner theoretischen Schriften zu spüren. Mit Tzimon Barto am Flügel hat sich Thielemann aber auch den passenden Partner gesucht. Nahtlos integriert er sich in den satten Klang der Staatskapelle. Von den Brüchen, dem zögernden Übergang in die Moderne, über die man in Pfitzners Partitur lesend stolpert, ist bei dieser Aufnahme nichts mehr zu hören. Und das ist dann auch der einzige Kritikpunkt: Auf dem Altar des feschen Furioso, des glatten Virtuosentums, des Schönklangs also geht die analytische Suche verloren.
Dass es auch anders geht, zeigte die Staatskapelle in Regers Romantischer Suite. Wo vorher das Preschen und Drängen dominierte, ließ Christian Thielemann nun einen sanften Klangteppich ausbreiten. Busonis eigenwillige Tonsprache sezierte der Dresdener Chefdirigent da schon feiner. War es doch gerade Busoni, der mit seinem Postulat einer neuen Tonsprache Pfitzner zu so heftigen Ausfällen provozierte. Allerdings, so ganz auf neuen Pfaden wandelt die Staatskapelle in Busonis Nachstück dann doch nicht. Das Verbindende, die Einheit der Komposition ist Thielemann wichtiger als das musikästhetische Sezieren. „Mich interessiert vor allem die Musik“, so wird er im Booklet zitiert – Recht hat er!
Markus Roschinski

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