New Year’s Eve Concert 2014/ The Life I love. The pianist Menahem Pressler. A Film by Grete Liffers
Menahem Pressler (Klavier), Berliner Philharmoniker, Ltg. Simon Rattle/ The Life I love. The pianist Menahem Pressler. A Film by Grete Liffers
Der 1923 in Magdeburg geborene Menahem Pressler war über mehr als fünf Jahrzehnte einer der weltweit führenden Kammermusikpianisten. 1939 zunächst nach Palästina geflüchtet, gründete er 1955, inzwischen im amerikanischen Bloomington ansässig, das Beaux Arts Trio, das er in wechselnden Streicherbesetzungen durch rund 6000 Konzerte bis 2008 leitete. Zahlreiche Aufnahmen, darunter beispielsweise die gesamten Trios von Haydn, Mozart, Beethoven, Brahms und Dvorák, gehören zum Vermächtnis des Ensembles.
Erst nach Abschluss dieser einzigartigen Kammermusiklaufbahn entdeckte sich Pressler, der mit 23 einen Debussy-Klavierwettbewerb in San Francisco gewonnen hatte, als Solopianist neu. Im Januar 2014 debütierte er bei den Berliner Philharmonikern und wurde daraufhin von Simon Rattle eingeladen, im Silvesterkonzert desselben Jahres Mozarts A‑Dur-Klavierkonzert KV 488 zu spielen. Ein Mitschnitt dieses Konzerts, das auch tänzerisch inspirierte Werke von Rameau, Dvorák, Kodály, Brahms und Chatschaturjan enthält, bildet den Hauptbestandteil der vorliegenden DVD.
Pressler spielt das Mozart-Konzert mit runder, niemals forcierender Tongebung, ruhig atmender Phrasierung und in ständiger, auch gestischer Kommunikation mit Dirigent und Orchester ein Musiker, für den auch mit 91 Jahren offenbar immer noch die schiere Freude am Musizieren im Vordergrund steht. Wenn das Tempo des Solisten in den Ecksätzen mitunter allzu sehr zu ermatten droht, greift Simon Rattle in den Zwischenspielen äußerst geschickt die Fäden wieder auf. Das fis-Moll-Adagio wird als fast kammermusikalisch intimer Dialog zwischen Solist und Orchester zum anrührenden Mittel- und Höhepunkt des Werks.
Ganz unprätentiös spielt Pressler als Zugabe Chopins nachgelassenes cis-Moll-Nocturne (das in Booklet wie Untertitel fälschlicherweise als op. 27 Nr. 1 bezeichnet wird).
Der Porträt-Film The Life I Love von Grete Liffers, der inzwischen beim tschechischen Television-Festival den Hauptpreis Grand Prix Golden Prague gewann, bringt in 45 Minuten dem Zuschauer auch den Menschen Menahem Pressler näher: Pressler als gestrenger Kurslehrer beim Schumann-Klavierkonzert; Pressler als ebenso gewissenhafter Selbstkritiker bei Mozart-CD-Aufnahmen; Pressler als Reisender in der Eisenbahn und bei einem Wiedersehen mit seiner Heimatstadt Magdeburg; Pressler im Gespräch über seine Jugendzeit, seine Ideale als Interpret und sein langes glückliches Leben als Ehemann und Vater immer wieder leuchtet vor allem ein optimistischer Grundzug seiner Lebensphilosophie durch, eine Liebe zum Leben, die diesen großen alten Mann zum Vorbild auch für viel jüngere Kollegen werden lässt.
Rainer Klaas