Werke von Antonín Dvořák und Avner Dorman

New Worlds: Symphony No. 9 in E Minor op. 95/Frozen in Time

Sergey Mikhaylenko (Percussion), Göttinger Symphonieorchester, Ltg. Nicholas Milton

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Prospero
erschienen in: das Orchester 11/2025 , Seite 74

Als eines der ersten Orchester Deutschlands konnte das Göttinger Symphonieorchester im weltweiten Pandemiesommer 2020 in einer alten Lokhalle seine musikalische Arbeit wieder aufnehmen und produzierte mehrere Konzerte ohne Publikum, die als YouTube-Filme immer noch online sind. Zwei dieser Produktionen sind nun als hochkarätig produziertes Audio unter dem Titel New Worlds auf CD erschienen, präsentiert werden Antonín Dvořáks Sinfonie Nr. 9 Aus der Neuen Welt und Frozen in Time des israelischen Komponisten Avner Dorman. Die Paarung dieser Werke ist interessant, da beide eine Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Welten darstellen. Dvořák schrieb seine amerikanische Sinfonie einige Monate nach seiner Ankunft in New York. Von einigen pseudoindianischen Anklängen (punktierte und synkopierte Rhythmen, Nutzung von pentatonischen Skalen) einmal abgesehen, setzte er aber die kompositorische Arbeit aus der alten Welt relativ ungebrochen fort. Er nahm die alte Welt mit in die neue.
Mehr als 100 Jahre später entstand mit Avner Dormans Schlagzeugkonzert Frozen in Time eine Komposition, die nach einer langen Reise ebenfalls in Amerika landet. Jeder der drei Sätze des Konzerts stellt die Musik eines der großen prähistorischen Kontinente dar: Indoafrika, Eurasia sowie Nord- und Südamerika. Inspiriert von jüdischer, arabischer, afrikanischer und ostasiatischer Musik und in der Auseinandersetzung mit z. B. Tango, Salsa, Rock und Jazz schafft Dorman neue musikalische Welten, ganz unabhängig von seinen individuellen Lebensumständen. Seine Musik ist das Gegenteil von puristisch, sie versteht sich als eine gigantische Synthese der Musiken der Welt. Ein Schlagzeugkonzert ist für ein derartiges Konzept natürlich besonders geeignet, in indischem Tala, indonesischem Gamelan, afrikanischen Trommeltraditionen sowie Jazz und Rock spielt die Perkussion eine immense Rolle. Und tatsächlich begegnen wir einer Fülle dieser Elemente in den drei Sätzen des Konzerts, die perkussive Energie und Virtuosität dabei stets wohlgebettet in der Klangfülle des vielköpfigen Sinfonieorchesters. Ein virtuoser Beginn, der von Metallinstrumenten geprägte langsame zweite Satz und der musikalisch zwischen den beiden Amerikas pendelnde Abschluss – so die Großanlage der Komposition.
Das Göttinger Symphonieorchester spielt unter der Leitung seines Chefdirigenten Nicholas Milton in beiden Kompositionen großartig auf, die Leistung des Solisten Sergey Mikhaylenko, der als Soloschlagzeuger auch Mitglied des Orchesters ist, ist über jeden Zweifel erhaben.
Ob in Böhmen, New York, Göttingen oder Israel: Wenn begabte und engagierte Musikerinnen und Musiker sich ihre New Worlds bauen, da möchte man dabei sein. Und glücklicherweise kann man es jetzt ja auch wieder. Jetzt, nach der Pandemie.
Stephan Froleyks

 

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