Neumarkter Konzertfreunde e.V. (Hg.)

Neumarkt

Mit Fotografien von Frank Schinski

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Kerber Verlag
erschienen in: das Orchester 7-8/2023 , Seite 65

Das Cello ist allein zu Haus, hat es sich auf dem Sofa gemütlich gemacht. Das Instrument gehört István Várdai, der, wie viele internationale Musiker vor und nach ihm, in Neumarkt gastiert hat. Ihn und viele seiner Kollegen zeigt nun ein außergewöhnlicher Bildband mit Fotografien von Ostkreuz-Fotograf Frank Schinski. Gezeigt wird auch, wer alles tätig ist, um solche Konzerterlebnisse möglich zu machen.
Christian Gerhaher lässt sich bei der Arbeit zuschauen. Am Schreibtisch sitzend, die Stimmgabel in der Hand, den Blick fest auf die Noten gerichtet, die Lippen leicht geöffnet – fast meint man ihn singen zu hören. So nah durfte der Fotograf den Künstlern kommen. Abgelichtet sind auch Christian Zacharias, der den Takt- mit dem Wanderstock vertauscht hat, oder Sängerinnen des Balthasar-Neumann-Chores, entspannt auf dem Boden in der Sonne sitzend, mit Handys und Laptop.
Der gewichtige Band, den Claudio Lieberwirth konzipiert hat, feiert das Jubiläum der 40 Konzertjahre im Reitstadel gleich neben der Hofkirche in Neumarkt. Aber er rühmt auch, „was Privatinitiative bewirkt“ – die des ortsansässigen Unternehmers Ernst-Herbert Pfleiderer. Das und mehr findet sich in Texten von Peter Gülke oder Dariusz Szymanski, die bisweilen auch in kleineren Seitenformaten eingeheftet sind. In solchem Kleinformat gibt es auch die – natürlich diskret fotografierte – Umkleidezeremonie der Violinistin Alina Ibragimova. Da ist Stefan Körber, der „Chauffeur“ der kostbaren Steinway-Flügel; von den Haustechnikern Johann Kraus und Anton Achhammer sind nur die Rücken zu sehen, als sie durch das Konzerthaus eilen. Iris Dorn hält auf einer abschüssigen Straße das Handy ans Ohr – was sie als Verwaltungsleiterin sicher oft tut. Das „Wunder“, das sich hier in der mittelgroßen bayerischen Stadt Neumarkt vollzieht, soll auch für andere Klassik-Initiativen solcher Art stehen.
Und Frank Schinski gelingen immer wieder ungewöhnliche Einblicke: wie Gilbert Auden ein Fagott durch die Saaltür zirkelt; das Danish String Quartett, das mit Laptops statt Instrumenten beschäftigt ist. Gestapelte Stühle unterm Kruzifix gehören ebenso dazu wie Terminmanagerin Ulrike Rödl im schicken Auto. Der Konzertfotograf Fritz Etzold wird per Bild gewürdigt, ebenso Klavierbaumeister Christian Niedermeyer, ganz auf die Klänge in seinen Kopfhörern konzentriert. So wird klassische Musik, werden Musiker nahbar, ohne ihre Aura zu verlieren – auch wenn Jörg Widmann beim Notenstudium Marilyn Monroe über die Schulter lächelt. Zuhörerinnen, die ihre Nischen im Stadel gefunden haben, kommen ins Bild, ebenso wie der Braumeister, der sich im Vorstand der Konzertfreunde engagiert. Frank Schinski zeigt, wie die Klänge und das „Wunder“ in der Stadt um sich gegriffen haben.
Ute Grundmann

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