Neujahrskonzert

Mit Werken von Johann Schrammel, Emmerich Kálmán, Fred Raymond, Heinrich Strecker, Robert Stolz, Fritz Kreisler, Anton Rubinstein u. a.

Rubrik: CDs
Verlag/Label: confido
erschienen in: das Orchester 01/2005 , Seite 85

Diese CD bietet ein Neujahrskonzert auf wahrhaft philharmonisch-kammermusikalischem Niveau. In Duisburg ist es bereits eine schöne Tradition, dass kurz nach dem Jahreswechsel das Johann-Strauß-Ensemble um Daniel Draganov, Vorspieler der Zweiten Geigen bei den Duisburger Philharmonikern, mit Perlen der Salonmusik erfreut, allesamt ansprechend arrangiert von dem philharmonischen Cellokollegen Friedmann („Friedo“) Dreßler. Nicht fehlen dürfen dabei beliebte Sängerinnen und Sänger der Deutschen Oper am Rhein Düsseldorf/Duisburg. Im „Konzert für eine Kaiserin“ (2000) waren das Marlis Petersen (Sopran) und Torsten Hofmann (Tenor), und im Konzert „Mit Johann Strauß um die Welt“ (2003) war es Romana Noack (Sopran).
Es sind jüngere, schwerelose Stimmen, denen man den aufrichtigen Spaß am so schwierigen „leichten“ Genre anhört und die einen reizvollen Kontrast bilden zu den kompakten Arrangements für die „klassische“ Salonorchester-Besetzung mit Solo-Violine (Stehgeiger Daniel Draganov), zweiter Geige, Bratsche, Cello, Kontrabass und Klavier. Das
Repertoire reicht von Johann Schrammels Wien bleibt Wien (diesen Titel nannte Karl Kraus einst „eine Drohung“) über Märsche (wie Hoch Heidecksburg) und Anton Rubinsteins unsterbliche Melodie in F bis zu Scott Joplins Ragtime The Entertainer und bei den Werken für Gesang und Orchester von Operette über Schlager bis Musical. So stehen zwei Duette aus Fritz Kreislers Singspiel Sissi neben einem Song aus dem Musical Elisabeth für die Fortdauer dieses Mythos, das Chianti-Lied von Gerhard Winkler und Funiculi, funicula von Luigi Denza für die Sehnsucht nach Italien. Gleich zu Beginn kann man die Qualität und Charakteristik der drei Gesangs-
Solisten vergleichen, im Auftrittslied der Gräfin (Romana Noack) und in „Auch ich war einst ein schöner Csardaskavalier“ (Torsten Hofmann) aus der Operette Gräfin Mariza von Emmerich Kálmán sowie Wenn die Zigeunergeige singt von Fred Raymond (Marlis Petersen).
Ensembleleiter Daniel Draganov und der philharmonische Solocellist Friedemann Pardall wirken bei allen 17 Tracks mit, der aufgeregte Applaus ist authentisch und die angenehme Atmosphäre des Opernfoyers im Theater der Stadt Duisburg sehr gut eingefangen bzw. behutsam bearbeitet. Die Besetzung mit Gesa Renzenbrink (Violine), Jone Kaliunaite (Viola), Sigrid Jann (Kontrabass) und Bernard Wünsch (Klavier) spielte etwas nachgiebiger und mit großzügigerer Phrasierung als drei Jahre später Johannes Heidt (Violine), Viacheslav Romaliischi (Viola), Francesco Savignano (Kontrabass) und Glenn Lewis (Klavier), die mit breitdurchsichtigem „Biss“ prunken. Wohl kein Zufall, dass alle sechs hier vertretenen rein instrumentalen Nummern aus dem Konzert von 2003 stammen.
Es gibt einen Höhepunkt, der alleine schon die Anschaffung dieser CD empfehlenswert macht: Marlis Petersen singt das Lied „Ich gehör nur mir“ aus dem Musical Elisabeth von Sylvester Levay mit so viel vorbildlicher Diktion, gesangstechnischer Perfektion und inhaltlicher Gefühlstiefe, als gelte es eine Arie aus Mozarts Entführung aus dem Serail zu singen. Vier Minuten und 29 Sekunden höchste Kunst an unerwarteter Stelle.
Ingo Hoddick