Hiekel, Jörn Peter (Hg.)
Neue Musik in Bewegung
Musik- und Tanztheater heute
Der Besuch eines Kongresses oder einer Tagung ist wie ein Konzert- oder Theatererlebnis: nicht zu vergleichen mit einer CD, DVD oder einem Buch. Das persönliche Erleben, die lebendigen Diskussionen und Begegnungen hinterlassen oft die länger bleibenden Eindrücke. Dennoch hat die hier vorliegende Publikation der Vorträge durchaus ihre Berechtigung, erschließen sich doch die Gedankengänge und Schlussfolgerungen dadurch einem weitaus größeren Publikum.
Dieses Buch beinhaltet Vorträge, die bei der letztjährigen Frühjahrstagung des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt gehalten wurden. Dort wurde in Vorträgen und Diskussionen, aber auch mit Performances und Konzerten der Frage nach dem zeitgemäßen und innovativen Potenzial von Musik- bzw. Tanztheaterproduktionen nachgegangen. Wie die Frühjahrstagung richtet sich auch das Buch an ein Fachpublikum sowie an interessierte und in der Szene der Neuen Musik beheimatete Leser also vorwiegend an Studenten, (angehende) Musiker, Dramaturgen usw.
Die Vorträge zeugen allesamt von hoher Sachkenntnis, sind gut verständlich geschrieben und zum Teil mit Bildmaterial anschaulich illustriert. Wer diese Artikel liest, bekommt tatsächlich den Eindruck, dass die Kunstform Musik- bzw. Tanztheater keineswegs tot, sondern facettenreich und auf mannigfache Art lebendig ist. Wiederkehrende Namen im Bereich des Musiktheaters sind etwa Mauricio Kagel, Dieter Schnebel, Salvatore Sciarrino und Wolfgang Rihm; Letzterem wurde bei der Tagung ein Schwerpunkt gewidmet mit vier Vorträgen und einem Podiumsgespräch. Schade, dass hiervon lediglich zwei Aufsätze übrig blieben und dass der Verweis des Autors Jörg Mainka auf den nicht vorhandenen Beitrag von Ulrich Mosch ins Leere geht. Es ist verständlich, dass nicht alle bei der Tagung angekündigten Vorträge auch tatsächlich gedruckt werden können doch sollte das ursprüngliche Konzept wenigstens irgendwo im Buch nachzulesen sein, denn nur dann kann man die vorhandenen Aufsätze auch richtig zuordnen und Lücken als solche erkennen, anstatt unnötig verwirrt zu werden.
Und noch ein weiterer Dienst am Leser sei an dieser Stelle angeregt: Wenn schon erstklassige Autoren gewonnen werden konnten, dann darf man diese ruhig kurz vorstellen. Im Livebetrieb der Tagung eine Selbstverständlichkeit, würde sich auch der Leser darüber freuen zu erfahren, dass er gerade den Beitrag einer Professorin für Musikpädagogik, eines mehrfach ausgezeichneten Komponisten oder der Redaktionsleiterin Musik der FAZ vor sich hat.
Fazit: Fundierte und sehr lesenswerte Beiträge zum neuesten Musiktheater-, Tanztheater- und Performance-Schaffen der Neuen-Musik-Szene, denen es jedoch gerade wegen ihrer Buntheit und Vielschichtigkeit gut getan hätte, wenn sie in einen Orientierung gebenden Rahmen eingebettet worden wären. Vielleicht eine Anregung für Band 52 der Veröffentlichungen des Instituts für Neue Musik und Musikerziehung Darmstadt, der sicher schon in Arbeit ist?
Sibylle Kayser