Helmut Eisel

Naftule und die Reise nach Jerusalem

Eine sinfonische Geschichte für Klezmerklarinette, Erzähler und Orchester. Helmut Eisel (Klarinette), Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern, Ltg. Alexander Merzyn

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Animato
erschienen in: das Orchester 03/2018 , Seite 71

Auf dieser Reise nach Jerusalem muss keiner wie im Kinderspiel zurückbleiben, weil er nicht rechtzeitig einen freien Platz gefunden hat, im Gegenteil: Nach der Reise hat man durch die Musik viele Freunde gefunden, die zum Land Sinfonien kommen, in dem man sich nur in der Sprache der Musik unterhält und wo man sich niemals streitet.
Auf Reise geht in dieser Geschichte, die als Familienkonzertmitschnitt präsentiert wird, der musikalische Tausendsassa Naftule alias der Klezmerklarinettist Hans Eisel, der auf seinem Instrument sprechen, lachen und weinen kann und sich in allen Stilen zu Hause fühlt, in denen er sein Improvisationstalent entfalten kann. Mit von der Partie sind sein erzählender Freund Pino alias Kerstin Klaholz als Sprecherin und die punktgenau musizierende Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern unter der Leitung von Alexander Merzyn.
Die Reise startet nach einer schwungvollen Ouvertüre des „königlichen Orchesters von Sinfonien“, in der Naftule schon einmal sein ganzes Können zeigt. Weil sich später Naftules Gemütszustand getrübt hat, schickt ihn der wohlwollende König Woldemar in die Welt, damit er als Botschafter von Sinfonien Freunde findet. Ein von Melodien getragener Teppich ist das Reisegefährt, das mit Unterstützung des singenden Publikums in Bewegung gesetzt wird. Die erste Station ist die Ukraine, in der Naftule standesgemäß mit anderen Musikern auf einer Hochzeit spielt. Da er sich an der Hochzeitstorte vergreift, müssen die beiden die Weiterreise antreten. Die Melodie von Yankee Doodle kündigt an, dass es jetzt nach New York geht, die Stadt mit orchestralem Verkehrschaos und Jazzklängen. Dass sich Naftule ausgerechnet in eine Kirche flüchtet, erschließt sich nicht ganz, und ein weiteres Vergehen im Beichtstuhl, das mit Hilfe eines Moldau-Zitats verdeutlicht wird und aus Schamhaftigkeit hier nicht verraten wird, macht die Flucht nach Argentinien nötig. Dort macht der Tango-Tanz zwar dem Erzähler Probleme, nicht aber Naftule, der auch hier musikalisch auf der Höhe ist.
Schließlich wird das Reiseziel erreicht: Jerusalem. Hier kommt die Musik einmal zur Ruhe, die goldene Kuppel lässt die Streicher glänzen und der Ruf nach Frieden kommt mit einem gesungenen Shalom zum Ausdruck. Da Naftule verbotenerweise am Sabbat sein Instrument spielt, muss er zurück nach Sinfonien, wo sich jetzt viele Besucher eingefunden haben, um dieses besondere Land kennenzulernen.
Mit einem Freylekhs, einem Tanz im 2/4-Takt, geht die 50-minütige Reise zu Ende, die zugleich ein musikalisches Porträt des Klarinettisten Hans Eisel ist. Als Komponist zeigt er Ideenreichtum und stilistische Vielfalt. Mit Unterstützung von Sebastian Voltz, der die Instrumentierung übernahm, ist insgesamt eine klangfarbenreiche, vitale Musik entstanden, die noch einige besinnlichere Momente vertragen könnte und deren rhythmische Kraft sich auch bei geringerem Einsatz des Drumsets entfaltet hätte.
Heribert Haase