Ektoras Tartanis
Mystic Encounters. Chamber Music Works
Irina Jae-Eun Park (Sopran), Michael Borth (Bariton), Susanne Keck (Fagott), Paul Drouet (Klavier)
Der CD-Titel „Mystische Begegnungen“ zielt direkt ins Herz der Ästhetik des Dirigenten und Komponisten Ektoras Tartanis (*1987). Seine Werke, gedanklich in griechischer Mythologie und Philosophie verwurzelt, sind darauf angelegt, den Zuhörenden als Ereignis von gleichsam „mystischer“ Tragweite entgegenzutreten und sie dabei zu überwältigen. Das hierfür verwendete Vokabular ist eher unspektakulär und basiert auf einer überschaubaren Palette wiederkehrender Ausdrucksmittel. Allen voran ist da das häufig eingesetzte Arpeggio, mit dem auch die Klaviersonate Die verlorene Nereide anhebt und somit – gleichsam programmatisch – den Topos der Wellenbewegung beschwört. Der Pianist Paul Drouet schwelgt in diesen auf- und niederwogenden Gebilden: Während sich Melodiesplitter herausschälen und manch silbriges Glitzern hörbar wird, lässt er die Klänge in an- und abschwellender Dynamik dahingleiten und setzt dann zu einem doch überraschenden Schluss an. Auch in der Fagottsonate Die Horen – sie spürt in drei Sätzen den Charakteren der namensgebenden Göttinnen nach – bedient sich der Komponist solch wirbelnder Klangmassen, um überdeutlich auf Spannungszustände und Höhepunkte hinzuweisen. In den zurückhaltenderen Momenten kommt jedoch der Gesang des Fagotts, von Susanne Keck zu klangschönen Kantilenen geformt, außerordentlich gut zur Geltung.
Am problematischsten sind Tartanis’ Liederzyklen auf Gedichte von Paul Celan: Es mag ja sein, dass die Texte den Komponisten sofort „konkret und deutlich“ angesprochen und – wie er im Booklettext unterstreicht – ihn zum Aufsuchen des „Unbekannten und Unerforschten“ animiert haben; das Streben nach solchen „mystischen Dimensionen“ verwischt freilich die bereits in sich klangvoll komponierte Sprache Celans und macht die Gedichte zu bloßen Vehikeln für eine eindimensionale Vertonung, die wiederum vor allem auf emotionalisierendes Pathos und Überwältigungseffekte zielt. Entsprechend wenig zurückhaltend, geradezu erdrückend dramatisiert die Sopranistin Irina Jae-Eun Park die zarten Textgebilde bei ihrer Wiedergabe des Zyklus Fadensonnen, während sich Bariton Michael Borth immerhin den acht Liedern der Atemwende mit einem in Ausdruck und Klanggebung weitaus differenzierteren Vortrag nähert.
Insgesamt gibt die mitunter ein wenig dumpf und verschleiert klingende Produktion einen ernüchternden Einblick in Tartanis’ Schaffen. Zu wenig wandelbar sind die vom Komponisten eingesetzten Mittel in den hier präsentierten Stücken, allzu sehr strapaziert er sie in vorhersagbarer Manier, und allzu austauschbar mutet über weite Strecken hinweg der geschwätzige Klaviersatz an. Nur selten lässt der Komponist demgegenüber Momente zu, die durch eine klangfarbliche oder harmonische Intensität wirken und diese auch ungestört entfalten können.
Stefan Drees