Mengler, Walter

Musizieren mit links

Linkshändiges Instrumentalspiel in Theorie und Praxis

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2010
erschienen in: das Orchester 09/2011 , Seite 67

Ist die falsche Hand richtig? Die richtige falsch? Glücklicherweisewerden unsere linkshändigen Kinder heute nicht mehr umtrainiert und gezwungen, mit der rechten Hand zu schreiben, zu zeichnen oder die Schere zu führen. Die Erkenntnis, dass mit dem Ignorieren der Händigkeit mehr Schaden als Nutzen angerichtet wird, war ein großer Schritt in der Pädagogik und zog die Entwicklung entsprechender Linkshänder-Utensilien wie Füller, Lineale und Alltagswerkzeuge nach sich.
Doch wie verhält es sich mit dem „Werkzeug“ Musikinstrument? Was können wir Eltern raten, deren linkshändige Kinder mit dem Instrumentalspiel beginnen? Andersherum spielen? Involvieren nicht beinahe alle Instrumente die Feinmotorik beider Hände, sodass die individuelle Händigkeit des Kindes letztlich gleichgültig ist? Diese Fragen werden in der Instrumentalpädagogik kontrovers diskutiert. Dass auch aus neurowissenschaftlicher Sicht etliches ungeklärt ist, z.B. noch keine eindeutige Theorie und Klassifikation der Händigkeit besteht, erschwert fundierte Antworten auf die Frage, welche Konsequenzen die Linkshändigkeit für das Musizieren hat.
Walter Mengler, Orchestermusiker und engagierter musikphysiologisch orientierter Cellopädagoge, hat sich dieses komplexen Themas angenommen. Musizieren mit links ist ein systematisch aufgebautes und angenehm lesbares Buch für all diejenigen, die linkshändig „normal“ oder „links“ spielen und die als (rechts- oder linkshändige) Pädagogen mit der Linkshändigkeit im Instrumentalunterricht konfrontiert sind. Nach Hintergründen zur Handdominanz und deren praktischen Konsequenzen sind in einer Checkliste Indizien für Probleme mit der Händigkeit dargestellt. Es folgen Erläuterungen zum Linksspielen in der musikalischen Praxis, eine händigkeitsbezogene Analyse verschiedener Instrumente und praktisch orientierte Ausführungen zum Unterrichten von Linksspielern. Umgekehrt werden aber auch wichtige Übetipps und Unterrichtsempfehlungen für „normal“ spielende Linkshänder gegeben. Die im Anhang beantworteten „FAQs“, häufig gestellte Fragen, zeugen nochmals vom Willen, einen wirklich praxisbezogenen Ratgeber zu präsentieren. Dies ist zweifellos gelungen!
Die neurowissenschaftlichen Zusammenhänge der Händigkeit sind noch unvollständig verstanden, ihre funktionelle Bedeutung nicht eindeutig. Insofern kann und muss man darüber diskutieren, inwieweit das „normale“ Spielen für einen Linkshänder tatsächlich mit objektivierbaren Einschränkungen einhergeht. Doch Musizieren ist eine solch komplexe, von zahlreichen individuellen körperlichen, psychomentalen und emotionalen Faktoren beeinflusste Aufgabe, dass die rein wissenschaftliche Sehweise vermutlich nicht ausreicht. Sie muss durch die praktischen Erfahrungen aus Orchesteralltag und Unterricht ergänzt werden. Genau diese hat Walter Mengler wunderbar dargestellt. Musizieren mit links ist ein wertvoller, anschaulicher Ratgeber, der sensibilisiert, informiert und eine Lücke in der musikpädagogischen Literatur schließt.
Maria Schuppert