Sauter, Ernest

Musique Romantique

à la mémoire d’Arenski für Violoncello solo und Streichtrio

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Walter Wollenweber, Gräfelfing 2006
erschienen in: das Orchester 10/2011 , Seite 67

Der erste Ton ist ein leeres C. Drei Takte lang klingt die Saite im drei­fachen Piano, über ihr bauen sich in weitem Legato die kleine None, Terz, übermäßige Sekunde und schließlich die große Septime auf. Es folgt ein Wechsel durch Zweier-, Vierer- und Dreiertakt, dann setzt nach weiteren drei Takten die Bratsche ein.
Natürlich ist das Cello Protagonist der Musique Romantique für Cello und Streichtrio des Zeitgenossen Ernest Sauter und wer einen Blick auf den Beginn des ersten Satzes wirft, sieht, wie schön sacht und verstört er das Cello hervorkriechen und aufblühen lässt. Laut Verleger ist trotzdem genau dies das entscheidende Novum des Stücks gegenüber der anderen Komposition mit zwei Celli, Geige und Bratsche von Anton Arensky – das Cello steht nun in solistischer Funktion und nicht als Gewichtung der dunklen Klänge durch Ersetzen der zweiten Geige.
Vor allem der Umgang mit zwei Celli – in solistischer und begleitender Funktion innerhalb des Trios – hat die Besetzung für Sauter wohl interessant gemacht. Das Begleitcello nimmt gerade im ersten Satz eine Grenzgängerfunktion zwischen Soloinstrument und den eng aneinander gekoppelten hohen Streichern ein. Während Bratsche und Geige homofon, durch Akkordbildung oder in polyfoner Satztechnik aufeinander Bezug nehmen, bildet es zum Beispiel eine eigenständige Stimme, sodass eine Triostruktur entsteht, grundiert durch Basstöne, schließt sich der Homofonie an oder nimmt direkten motivischen Bezug auf das Solocello.
Die komplexe Stimmführung steht vor allem im ersten Satz neben reichlich Polyrhythmen und schnell wechselnden Dissonanzen, die das Stück auf ein hohes technisches Niveau heben. Die Solostimme des Cellos ist davon trotz Kadenz vergleichsweise wenig abgesetzt und übersteigt in weiten Teilen des Stücks den Bassschlüssel und die vierte Lage nicht.
In den letzten beiden Sätzen manifestiert sich der Bezug des Stücks zu russischen Komponisten. Dem zweiten Satz, einer Variation über ein russisches Volkslied, schließt sich eine Coda für Anton Arensky an (ein russischer Komponist des ausgehenden 19. Jahrhunderts, zu dessen Ehren das Stück komponiert wurde), der dritte Satz ist ein Scherzo à la russe.
Sauters Zugang zu Russland ist allerdings eher ein Bezug auf Komponisten wie Arensky und Tschaikowsky, die sich an westeuropäischen Stilen orientierten und in diese Elemente russischer Volksmusik auf folkloristische Art einbrachten. Genuine Merkmale russischer Musik wie häufige Taktwechsel und ungerade Taktarten treten hier nicht im dem Maße auf, das durch das Attribut russisch suggeriert wird.
Erstaunlich, dass Arensky und Sauter bisher die einzigen Komponisten gewesen sind, die für diese vielversprechende Besetzung komponiert haben. Am Schluss des letzten Satzes steht wieder das leere C. Diesmal allerdings innerhalb eines Clusters im dreifachen Sforzato. Und im Begleitcello.
Vera Salm