Jacobshagen, Arnold (Hg.)

Musikstadt Köln

Geschichte und Gegenwart

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Dohr, Köln 2013
erschienen in: das Orchester 09/2013 , Seite 66

Die Musikgeschichte einer Stadt über rund zweitausend Jahre zu schreiben, ist ein nahezu unmögliches Unterfangen. Die dreizehn Autoren, die 2009/10 an der hier dokumentierten Ringvorlesung mitgewirkt haben, präsentieren ohne Frage zentrale Facetten der Kölner Musikgeschichte von den Römern bis zur Gegenwart, ergänzt um einige Interviews, die das Gesamtkonzept zu runden versuchen. Die Einsichten, die in der Publikation zusammengefasst sind, dienen ausgezeichnet einer ersten Erkundung des reichen Erbes, aus dem eine reiche Gegenwart gewachsen ist. Gleichzeitig giert der interessierte Geist aber stetig nach mehr – eine kumulative weiterführende Bibliografie am Ende des Bandes wäre wichtiger gewesen als Kurzinformationen über die Autoren.
Natürlich gibt es in dem Band auch Glücksfälle wie den Beitrag Klaus Wolfgang Niemöllers zur Musikkultur im mittelalterlichen Köln – hier ist unmittelbar eine umfassende, jahrzehntelang gewachsene Kenntnis der Materie spürbar, ein reiches Reservoire, aus dem mit feinem Gespür für Schwerpunkte geschöpft wird. Auch die Beiträge von Klaus Pietschmann und Gisela Mettele, die sich mit dem bürgerlichen Musikleben zwischen Mittelalter und der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts befassen, bereichern durch die große Informationsfülle. Ein entsprechendes Pendant bietet Frank-Manuel Peter mit seinem Beitrag zur Geschichte des Tanzes in Köln. Dietrich Kämper präsentiert in aller gebotenen Konzentration die Entwicklung Kölns am Ende des 19. Jahrhunderts. Rainer Nonnenmann und Bernd Hoffmann bieten gute Zusammenfassungen zu Neuer Musik und Jazz in Köln. Bei der Betrachtung der Stationen der Kölner Operngeschichte (Frank Rohde) sind die Proportionen der Berichterstattung etwas zu arg in Richtung Gegenwart verschoben – in wenigen Jahren schon wird dieser Beitrag an Aktualität und Aussagekraft verloren haben. Die Bewältigung des zugegebenermaßen wegen seines Umfangs problematischen Themas Köln als Metropole der Popkultur bewältigt Christian Bos beachtlich. Andere Beiträge geraten etwas zu oberflächlich oder zeugen von zu geringer Distanz zum Objekt.
Einige Bereiche wird der Leser vergeblich suchen, die Domstadt im „Dritten Reich“ etwa, eine Aufarbeitung der Geschichte der Kölner Musikhochschule (an der der Herausgeber lehrt), Musik und WDR (in einer vielleicht durchaus kritischen Aufarbeitung?), die Pioniere der Alten Musik (Cappella Coloniensis und die Folgen), Musikforschung in Köln, die Kirchenmusik seit dem Krieg, Musik in der Medienstadt Köln oder im Karneval, möglicherweise auch noch mehr zur katholischen Kölner Kirchenmusik in Vergangenheit und Gegenwart. Genug Themen für einen zweiten Band zur Geschichte und Gegenwart der Musikstadt Köln liegen parat, und es steht zu wünschen, dass beim nächsten Band das Qualitätsniveau der Beiträge (und des Lektorats) durchgängig gleich hoch sein wird.
Jürgen Schaarwächter

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