Grützner, Vera

Musiker in Brandenburg

vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Jaron, Berlin 2004
erschienen in: das Orchester 04/2005 , Seite 81

Der Titel des neuen Nachschlagewerks knüpft an Carl von Ledeburs Tonkünstler-Lexikon Berlin’s von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart aus dem Jahr 1861 an, das als einschlägige Quelle zu gelten hat. Allerdings scheint seither das Wissen der heutigen Musikgelehrten unter dem Zahn der Zeit gelitten zu haben; einige seinerzeit einflussreiche Brandenburger Musiker und Komponisten haben es nicht in die „zweite Runde“ geschafft. Das gilt beispielsweise für den Generalintendanten Graf Friedrich Wilhelm von Redern (1802-1883) mit seinem Musenhof und Stammsitz in Görlsdorf bei Angermünde – wo auch Giacomo Meyerbeer, Henriette Sonntag und Carl Löwe verkehrten –, dessen kulturpolitisches und kompositorisches Wirken mittlerweile im Rahmen von Radiosendungen, Konzerten und Publikation seiner Memoiren bekannt geworden ist; oder für den Zelter-Schüler Gustav Bemmann (1807-1893), der als Organist und Komponist lange Jahre in Prenzlau wirkte. Aber auch heute agierende Musiker wie Dieter Glös, seit vielen Jahren Organist der berühmten Wagner-Orgel in Angermünde, oder der sorbische Komponist Ulrich Pogoda bleiben unerwähnt.
Andererseits „lernt“ man Neues hinzu, zum Beispiel, dass Markgraf Friedrich Heinrich zu Brandenburg-Schwedt den Komponisten Johann André noch rund 100 Jahre nach seinem Ableben zum „Markgräfl. Schwedtschen Kapellmeister“ ernannte oder dass die heute in Werder ansässige Orgelbaufirma Alexander Schuke immer noch ein „VEB“ sein muss, denn seit 1972 liegen keine neuen Erkenntnisse von Seiten der Autorin vor… Viele weitere Fehler bleiben hier unerwähnt.
Die geografische Eingrenzung ist zwar für ein Sammelwerk wichtig, wurde aber nicht konsequent durchgehalten. So stellt sich die Frage, warum der dritte Graun-Bruder Ernst Friedrich, geboren im heutigen Brandenburg, aber in Sachsen wirkend, keine Rolle spielt, dagegen der in Sachsen wirkende Jakob Meiland aufgenommen wurde. Lobenswert ist das Ortsregister im Anhang sowie eine Auswahl an Sekundärliteratur und ein ansatzweises Werkverzeichnis. Insofern richtet sich das Buch an den musikhistorisch Interessierten ebenso wie an den an Ortskunde interessierten Leser.
Auch wenn mit diesem Lexikon ein wichtiger Schritt auf dem noch jungen Weg der alten Brandenburger Musikgeschichte getan wurde, bleibt doch zu wünschen, dass man sich bei der Zusammenstellung zukünftig am Anspruch eines Lexikons orientiere, der in erster Linie auf Vollständigkeit und Sorgfalt beruht.
So sollte man sich dieses Buch zwar zulegen, sich aber auch bewusst sein, dass viele Fehler und Fehlstellen darin vorkommen, die nun gedruckt und schwer ausrottbar sein werden. Jahrhunderte lange Praxis hat gezeigt, dass einer beim anderen abschreibt – faktische „Wanderratten“. Schade. Das Unternehmen als solches ist löblich, aber es schreit förmlich nach einer korrigierten Neuauflage.
Haino Rindler

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