Bullerjahn, Claudia / Wolfgang Löffler (Hg.)

Musik und Ökonomie

Finanzieren und Vermarkten von und mit Hilfe von Musik – Musikästhetisches und musikpädagogisches Haushalten

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Olms, Hildesheim 2009
erschienen in: das Orchester 11/2010 , Seite 66

„Das prekäre Fundament aller Kunst und somit auch der Musik ist Geld.“ Dieser schlichte Satz steht am Anfang dieses Buches, in dem es um zwei nur augenscheinlich wesensfremde Disziplinen geht. Denn „Anerkennung und Beifall alleine“ machen den Künstler „bekanntermaßen nicht satt“, stellen die Herausgeber fest und versuchen, in einer ganzen Reihe von Aufsätzen, Betrachtungen und Essays die ökonomischen Hintergründe der Musik zu beleuchten.
Das ist notwendigerweise mitunter eine recht trockene Angelegenheit, etwa wenn es um die Musikförderung in Deutschland oder die Aufgaben der GEMA geht. Zum Glück finden sich dazwischen auch eingängigere Bei­träge wie etwa jener von Katja Grönke: „C?ajkovskij, die Frauen und das liebe Geld“, in dem die Autorin sich Leben, Werk und Finanzgebaren des russischen Komponisten vornimmt und zum Schluss kommt: „In seiner Kunst sind Emotionen und Ökonomie auf subtile Weise miteinander verbunden.“ Tschaikowsky rinnt das Geld durch die Finger, er lebt meist weit über seine Verhältnisse und steckt fast immer in Schulden. Ein Beispiel für einen Künstler, der mit der materiellen Welt seine Schwierigkeiten hat und erst durch das Auftauchen einer Mäzenin von den ständigen Sorgen erlöst wird – bis diese ihre Unterstützung einstellt und die Freundschaft ein jähes Ende findet.
Ob Tschaikowsky, Bach oder Schumann: Sie alle hatten ein mehr oder weniger gespaltenes Verhältnis zum Geld. Aber natürlich geht es in dem Buch nicht nur um Künstlerbiografien, vielmehr um eine umfassende Betrachtung zur Frage, wie sich die schöpferische Tätigkeit mit der Notwendigkeit des Geldverdienens vereinen lässt. Die Zeit der großzügigen Mä­zene ist vorbei, heute hat ein Musiker andere Möglichkeiten, sich zu vermarkten, etwa über Radio, Fernsehen oder Internet, und der Kulturjournalist Christian Unger widmet sich ausführlich der Frage, inwieweit das World Wide Web gerade nicht etablierten Künstlern neue Möglichkeiten der Präsentation eröffnet. Seine Schlussfolgerung: „Um wirklich erfolgreich zu sein, kommt der Künstler und insbesondere der Popstar bis jetzt nicht am klassischen Plattenvertrag vorbei“, allerdings wird der Musiker langfristig vom Internet eher profitieren können.
Und schließlich wird auch die Frage der Ökonomie in der Musik selbst behandelt, die der Komponist Wolfgang Löffler anhand eines kuriosen Beispiels illustriert: Anfang der 1980er Jahre erschien in der FAZ ein fiktiver Artikel, in dem von einem Fachmann für Arbeitszeitstudien und Personalplanung berichtet wird, der nach dem Besuch eines Konzerts empfahl, Schuberts „Unvollendete“ von 25 auf vier Minuten zu kürzen. Löffler geht diesen Argumenten nach und liefert zahlreiche Musikbeispiele, bevor er feststellt: „All das Genannte zeigt, dass Ökonomie und Verschwendung in der Komposition und Instrumentation in der Musikgeschichte immer nebeneinander bestanden haben, und lässt den Schluss zu, dass wohl weiterhin beide zu faszinierenden Ergebnissen führen können.“
Irene Binal